Der lange Lauf bis zur Rente - So bleiben Ältere im Job am Ball
Nürnberg (dpa/tmn) - Wer in Rente gehen will, muss derzeit regulär bis 67 arbeiten - und in Zukunft noch länger, schätzen Experten. Das bringt für Mitarbeiter neue Herausforderungen mit sich, aber auch Chancen.
„Mit 66 Jahren ist noch lang noch nicht Schluss“, heißt es in einem alten Udo-Jürgens-Song. Diese Liedzeile könnte bald für das Erwerbsleben gelten. „Immer mehr Menschen werden in Zukunft zwischen 65 und 70 Jahren noch arbeiten“, sagt Prof. Lutz Bellmann vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Selbst über 70-Jährige, die in Teilzeit arbeiten, werden keine Seltenheit sein.
Derzeit wird zwar wieder die Rente mit 63 Jahren diskutiert, die voraussichtlich im Juli kommen wird. Danach können Beschäftigte, die 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben, mit 63 abschlagsfrei in den Ruhestand gehen. Wer nicht auf so viele Beitragsjahre kommt, wird jedoch nach wie vor regulär erst mit 67 Jahren sich zur Ruhe setzen können. Möglicherweise wird er sogar noch länger arbeiten.
„Die längere Berufstätigkeit wird zum einen materielle Gründe haben“, sagt Götz Richter. Er forscht zum Thema demografischer Wandel in der Arbeitswelt bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua). Die Renten schrumpfen. Mancher werde es sich in Zukunft nicht leisten können, im Alter nicht zu arbeiten, wenn er privat nur schlecht vorgesorgt hat. Anders als früher gebe es auch vom Staat und der Wirtschaft weniger Anreize, sich im Alter möglichst rasch zur Ruhe zu setzen.
Gleichzeitig wandele sich das Selbstverständnis der Senioren. „Arbeit ist sinnstiftend, erfüllend und gibt Selbstbestätigung“, sagt Richter. Mit Mitte 60 oder 70 seien viele heute noch topfit. Diese rüstigen Senioren werden sich zu jung für die Rente fühlen - insbesondere dann, wenn sie ihren Job mit Leidenschaft ausüben.
Tatsächlich arbeiten laut Statistischem Bundesamt immer mehr ältere Menschen oder wollen arbeiten. Im Jahr 2012 war knapp die Hälfte (49,6 Prozent) der 60- bis 64-Jährigen am Arbeitsmarkt aktiv. Binnen zehn Jahren hat sich der Anteil damit fast verdoppelt (2002: 25,1 Prozent). Erfasst werden Erwerbstätige und Arbeitslose, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Doch was bedeutet es für Beschäftigte, wenn sie immer länger im Job bleiben? „Das Erwerbsleben der Zukunft lässt sich mit einem Marathonlauf vergleichen“, sagt Richter. Um den langen Lauf bis zur Rente zu meistern, müssen Beschäftigte ihre Kondition einteilen.
Das erfordere, sich regelmäßig weiterzubilden, sagt die Karriereberaterin Svenja Hofert aus Hamburg. Beschäftigte sollten regelmäßig Stellenanzeigen aus dem eigenen Bereich lesen und überprüfen, ob sie die dort verlangten Fertigkeiten haben. Was fehlt, eignen sich Mitarbeiter am besten mit einer Weiterbildung selbst an. Eine Fortbildung pro Jahr sei das Minimum.
Außerdem sollten Beschäftigte im Job nach Herausforderungen greifen, wenn sie sich ihnen anbieten, erklärt Richter. „Klar macht es Stress, wenn ich in der Firma die Tätigkeit wechseln muss“, sagt Richter. Doch gerade jene, die als Vorreiter solche Herausforderungen annehmen, bleiben geistig flexibel. Um möglichst lange erwerbstätig sein zu können, müssten Mitarbeiter außerdem auf ihre Gesundheit achten. Das Rad statt den Bus zur Arbeit zu nehmen - solche Alltäglichkeiten zahlten sich auf Dauer aus.
Auf den ersten Blick wirkt es für viele erschreckend, dass die Zeit bis zur Rente sich immer länger hinziehen wird. Doch die Flexibilität bietet auch Chancen, erklärt Gundolf Meyer-Hentschel. Er berät Firmen zum demografischen Wandel. In Zukunft werden Menschen mit Ende 60 nicht zum alten Eisen gehören. Wer dann noch fit ist, könne auch dann noch einmal den Neustart wagen. Frei nach dem Motto: „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an.“