„Krieg um Talente“ Firmen suchen mit Speed-Dating Nachwuchs
Ulm (dpa) - Stefan Benz ist ganz schön nervös. „Mich interessiert der Kontakt zum Menschen“, sagt er mit gerötetem Gesicht. Er trägt ein weißes Hemd, seine Hände liegen auf dem Tisch, seine Augen sind auf sein Gegenüber gerichtet.
„Und mich hat immer beeindruckt, wie höflich die Mitarbeiter in Banken sind“, erklärt er. Er will Bankkaufmann werden - wie sein Vater. Plötzlich bimmelt die Glocke. Benz schiebt noch seinen Lebenslauf über den Tisch, schüttelt die Hand, dann zieht er an den nächsten Tisch - zu einer Perückenfirma.
Die Industrie- und Handelskammer in Ulm hat zum Azubi-Speed-Dating geladen. Das Prinzip ist so einfach wie bei der gleichnamigen Partnersuche: Ein Bewerber, ein Ausbildungsleiter, ein paar Minuten Zeit. Das erste „Date“ ist hier der erste Kontakt zwischen Unternehmen und Bewerber. So sollen Jobanwärter nicht schon vorab an formellen Hürden scheitern.
Hochschulen, Verbände und Jobcenter organisieren immer wieder Speed-Datings für Studenten, für Hartz-IV-Empfänger oder für künftige Azubis. „Speed-Dating hat in den letzten fünf Jahren ordentlich zugelegt“, meint Daniela Eisele, Expertin für Personalmanagement an der Hamburg School of Business Administration. Unternehmen suchen neue kreative Wege der Personalgewinnung. Besonders für technische Berufe müssten Firmen stark werben, da reiche die klassische Personalsuche nicht mehr. Eisele spricht von „Guerilla-Recruiting“.
„Den Krieg um Talente gibt es tatsächlich“, sagt auch Thomas Volkmann, Ausbildungsleiter der Sparda-Bank im Südwesten. Er sucht beim Speed-Dating Nachwuchs für das kommende Jahr. „Es ist wichtig, sich als sexy Arbeitgeber zu präsentieren.“ Elf Unternehmen vom Maschinenbauer zum Discounter buhlen in Ulm um rund 50 Bewerber. Die hetzen von Tisch zu Tisch und und stellen sich den Firmen vor. „Der erste Eindruck zählt“, sagt Volkmann. Bewerber und Unternehmen begegneten sich beim Dating auf gleicher Augenhöhe.
„Ich hoffe, dass es beim Speed-Dating zwischen vielen Bewerbern und Betrieben funkt“, kommentiert Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) die Aktion. Nach Angaben des Ministeriums gibt es im Land zahlreiche regionale Aktionen wie Last-Minute-Börsen, Speed-Dating und Ausbildungsmessen, um Schulabgänger in Ausbildung zu vermitteln. „Der Fachkräftemangel ist eines der Mega-Themen der Zukunft. Die berufliche Ausbildung ist ein wichtiger Standortfaktor für unsere Wirtschaft.“
Eine Zusage für eine Stelle sollten Teilnehmer bei dem ersten Treffen aber nicht gleich erwarten. Stefan Benz hat wenige Minuten Luft zwischen zwei Dates. Bei dem Bankvertreter habe er für seinen Geschmack etwas zu viel geredet, sagt er selbstkritisch. Er hofft auf eine Praktikumsstelle. „Zehn Minuten sind eine wirklich kurze Zeit“, findet er. „Die Unternehmen hören ja am Tag 10 bis 15 Personen. Die Frage ist, ob man da bis zum Abend im Kopf bleibt.“ Fünf Termine hat er noch vor sich. Dann bimmelt wieder die Glocke und er eilt davon.