Immer auf Achse: Mobil für den Job

Berlin (dpa) - Von Köln nach Frankfurt und am Abend zurück - das Ganze fünfmal die Woche. Oder für den Job gleich die Umzugskisten packen. Mobil zu sein, gilt in der Arbeitswelt inzwischen als selbstverständlich.

Lange Strecken pendeln, ständig für die Arbeit reisen oder gar des Jobs wegen umziehen: Mobilität gehört für viele Menschen längst zum Berufsalltag. Das bleibt nicht ohne Folgen für Beschäftigte und Unternehmen.

„Die Mobilität hat deutlich zugenommen. Man muss nur einmal den Blick in einen ICE werfen“, sagt Enzo Weber, Wissenschaftler am Nürnberger Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB). „Das liegt aber nicht nur an den Anforderungen der Arbeitgeber, sondern auch an den Möglichkeiten und an den Wünschen der Arbeitnehmer.“ Dabei geht es vor allem um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So nehmen viele lieber einen langen Weg in Kauf, als etwa auf ein Eigenheim zu verzichten.

Immer größere Mobilität und Flexibilität bieten Vorteile für Unternehmen und ihre Mitarbeiter - allerdings gibt es auch Risiken. So machten AOK und Techniker Krankenkasse im vergangenen Jahr darauf aufmerksam, dass dies auch auf Kosten der Gesundheit gehen kann.

In seinem Fehlzeitenreport 2012 stellte etwa das Wissenschaftliche Institut der AOK einen Zusammenhang von Fehltagen, der Zahl psychischer Erkrankungen und der Länge des Arbeitsweges fest. Eine Erkenntnis: Pendler mit großen Strecken unterliegen einem um 20 Prozent höheren Risiko, an psychischen Leiden zu erkranken.

Die Zahl der Pendler ist seit Mitte der 1990er Jahre stetig gestiegen, das gilt laut IAB auch für Fernpendler, die mehr als 50 Kilometer zur Arbeit fahren. „Im Vergleich zu früher werden immer mehr Berufsgruppen mobil. Das hat mit der Erschließung neuer wirtschaftlicher Räume zu tun. Außerdem erstreckt sich die Mobilität auf immer unterschiedlichere Qualifikationsebenen“, sagt die Soziologin Gerlinde Vogl, die ein von der Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Forschungsprojekt zum Thema Mobilität und Arbeit leitet. „Beispielsweise ist es heutzutage normal, dass ein Buchhalter zu den ausländischen Tochterunternehmen reist, um die Anwendung einer neuen Software zu erläutern“, so Vogl.

Die Veränderungen der vergangenen etwa 10 bis 15 Jahre fasst sie so zusammen: „Früher war es eine Auszeichnung, für das Unternehmen zu reisen. Die Bereitschaft dazu war karriereförderlich. Heute ist Mobilität eine Anforderung. Und wer nicht mobil ist, muss schon triftige Gründe dafür haben.“ Nicht zuletzt ist in vielen Arbeitsverträgen kein expliziter Dienstort mehr aufgeführt.

Während Mitarbeiter schon längst ein Höchstmaß an Flexibilität an den Tag legten, sieht das nach Vogls Beobachtung bei der Personalpolitik vieler Unternehmen ganz anders aus. Es gebe häufig überhaupt keine Konzepte für die veränderten Anforderungen.

Ein Beispiel: Ein Ingenieur, der mehrere Jahre für einen Anlagenbauer durch die Welt reist und wertvolle Erfahrungen und Qualifikationen erwirbt, muss ihrer Ansicht nach später - etwa nach der Familiengründung - die Möglichkeit haben, weniger zu reisen. Er könnte dann etwa seine Kenntnisse im Innendienst an jüngere Kollegen weitergeben. „Das ist aber bislang in den meisten Fällen nicht möglich. Vielmehr bleibt ihm derzeit häufig nichts anderes übrig, als das Unternehmen zu verlassen - und das obwohl gerade diese Branche so über Nachwuchsprobleme klagt“, kritisiert die Expertin.

Das Thema Mobilität beschäftigt auch die EU-Kommission: Arbeiten im Ausland soll für Europäer grundsätzlich einfacher werden. Dazu präsentierte Arbeitskommissar Laszlo Andor Ende April Gesetzesvorschläge. Vielen Bürgern seien ihre Rechte nicht bewusst. Er möchte deshalb nationale Unterstützungs- und Informationsstellen einrichten. Organisationen wie Gewerkschaften müssten die ausländischen Arbeitnehmer vor Gericht oder Behörden vertreten dürfen. „In einem anderen EU-Land zu arbeiten, sollte genauso einfach sein wie im eigenen Land“, sagte Andor damals.