Jobcenter verliert Streit um Lohndumping
Senftenberg (dpa) - Das Gerichtsurteil ist überraschend: Stundenlöhne von 1,60 Euro sind sittenwidrig, können aber als Integrationshilfe in den Arbeitsmarkt legal sein - wenn der Staat das Gros der Lebenshaltungskosten zahlt.
Im Rechtsstreit um Lohndumping hat eine Arbeitsagentur in Südbrandenburg eine Niederlage erlitten. Das Arbeitsgericht Cottbus wies am Mittwoch (9. April) die Klage des Jobcenters Oberspreewald-Lausitz gegen einen Rechtsanwalt wegen angeblicher Ausbeutung von Mitarbeitern zurück.
Der Anwalt hatte in seiner Kanzlei in Großräschen zwei Bürokräfte für Stundenlöhne von 1,54 beziehungsweise 1,65 Euro beschäftigt. Diese Löhne seien zwar auch in strukturschwachen Regionen wie der Niederlausitz sittenwidrig, urteilte das Gericht. Der Anwalt habe aber nicht ausbeuterisch gehandelt.
So hätten die Beschäftigten auf eigenen Wunsch unter diesen Konditionen angefangen, um erst einmal wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt zu fassen. Der Anwalt habe keinen wirtschaftlichen Vorteil durch die Einstellung erzielt. Es sei eher eine „Gefälligkeit“, eine „gut gemeinte Leistung“ gewesen, meinte der Vorsitzende Richter der 13. Kammer des Arbeitsgerichts in Senftenberg.
Beide Beschäftigte kamen nur über die Runden, weil sie zusätzlich zu ihrem Lohn Aufstockerleistungen vom Staat erhielten. Das Jobcenter wollte von dem Anwalt daher Sozialleistungen in Höhe von 4100 Euro zurückhaben. Das Gericht wies die Klage zurück: Mit sechs ausgelasteten Vollzeitbeschäftigten habe es der Anwalt nicht nötig gehabt, zwei weitere Beschäftigte einzustellen. Unterm Strich hätten sich für ihn eher Mehrkosten ergeben.
Das Jobcenter Oberspreewald-Lausitz kündigte an, in Berufung zu gehen. „Das Urteil hat uns völlig unerwartet getroffen und ist für uns in keiner Weise nachvollziehbar“, sagte Geschäftsführerin Brigitta Kose Obwohl das Gericht keinen Zweifel am Missverhältnis zwischen Leistung und Vergütung habe, führe es einen völlig neuen Rechtsgedanken ein, nämlich den der nicht vorhandenen „verwerflichen Gesinnung“: „Wenn das bestätigt wird, befürchten wir einen ordnungspolitischen Dammbruch“, sagte Kose.
Die Behörde befürchtet, dass andere Arbeitgeber das Urteil nun möglicherweise als „Schutzbehauptung“ anwenden, um Beschäftigte generell mit Billiglöhnen abzuspeisen, hieß es zur Begründung. Sie müssten bloß angeben, die Mitarbeiter gar nicht unbedingt im Betrieb zu brauchen.
Das Gericht hob dagegen hervor, bei dem Urteil handele es sich um eine Einzelfallentscheidung „ohne jegliche Präzedenzwirkung“. Im Oktober hatte das gleiche Gericht zwei Unternehmer aus Lübbenau verurteilt, weil sie einen Verkäufer für 2,84 Euro die Stunde beschäftigten. Das Jobcenter Uckermark wiederum klagte erfolgreich gegen einen Pizza-Lieferservice, der seinen Mitarbeitern zwischen 1,59 und 2,72 Euro die Stunden zahlte.
In Zukunft könnte die Zahl der Klagen wegen Lohndumpings sinken, sagte eine Gerichtssprecherin. Grund sei der von der Bundesregierung geplante gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro. Allerdings sind dabei Ausnahmen vorgesehen, unter anderem für Langzeitarbeitslose.