Kunststudenten müssen hartnäckig sein
Saarbrücken/Dresden (dpa/tmn) - Kunst kommt von Können, nicht von Wollen? So einfach ist es nicht. Ob jemand Talent hat, darüber lässt sich streiten. Angehende Kunststudenten müssen daher hartnäckig sein: Wer an einer Schule abgelehnt wird, darf nicht gleich aufgeben.
Vom Studium der Kunst geht eine magische Anziehung aus. Jedes Jahr reichen Tausende von Bewerbern ihre Mappen ein. Aufgenommen werden nur wenige. Noch weniger können später von ihrer Kunst leben. „Malerei? Das ist doch brotlose Kunst!“ - solche Sprüche müssen sich Schulabgänger mit einer künstlerischen Ader daher nicht selten anhören. Und manche Eltern dürften besorgt fragen, ob ihre Kinder nicht lieber „etwas Anständiges“ machen wollen. Das ist nur eine von vielen Hürden, die Kunststudenten meistern müssen.
In Erklärungsnot geraten viele schließlich schon bei der Frage, worum es in diesem Fach überhaupt geht. Denn was Kunst ist, darüber gehen die Ansichten auseinander. „Künstler geben persönliche Antworten auf gesellschaftliche Fragen“, sagt Ivica Maksimovic, der Sprecher der Rektorenkonferenz der deutschen Kunsthochschulen ist. Das verlangt von Studenten Offenheit und Leidenschaft. „Es geht um die Bereitschaft, sich infrage zu stellen. Das Scheitern gehört dazu“, erklärt der Rektor der Kunsthochschule in Saarbrücken.
Kunst zu studieren heißt dabei nicht, sich in einen Elfenbeinturm zurückzuziehen. Der Künstler lebe nicht wirklichkeitsfern, sondern sei auf Gesellschaftsbezug angewiesen, ergänzt Christian Sery, Rektor der Hochschule für Bildende Kunst Dresden. „Bildende Kunst definiert sich aus ihrer Zeit immer wieder neu. Sie setzt sich mit Ideen auseinander und sucht ihre Darstellungsformen neu zu justieren.“ Das heißt auch, dass kritisches Reflexionsvermögen von Studenten erwartet wird. Kunst sei „mentaler Hochleistungssport“, sagt Sery.
„Jeder Mensch ist ein Künstler“ postulierte Aktionskünstler Joseph Beuys. Doch ganz ohne gestalterische Fähigkeiten kommt man in der Regel nicht an eine Kunsthochschule - auch wenn es dort nicht darum geht, hübsch zeichnen zu lernen. Bestenfalls zeigt sich ein Talent schon früh. „Manche Kinder können nicht sagen, warum sie malen. Es ist ihre Art zu kommunizieren“, sagt Maksimovic.
Wollen Jugendliche „etwas mit Kunst machen“, heben viele Eltern die Hände und sagen: „Lern' was Anständiges. Kunst kannst Du auch nebenbei machen.“ Solche Einwände seien für angehende Künstler die erste Prüfung, sagt Maksimovic. Nicht jeder erfährt Empathie wie Loriot. Dessen Vater, ein preußischer Offizier, riet dem Sohn ausdrücklich zum Studium der Malerei und Grafik. Im Idealfall fördern Eltern ihre Kinder und übernehmen die Rolle der ersten Galeristen.
Auch in Abendschulen könnten Jugendliche herausfinden, ob sie der bildenden Kunst gewachsen sind, rät Sery. Die Qualität solcher Kurse hängt aber stark von den Lehrkräften ab. „Die Dozenten sollten die Teilnehmer unbeeinflusst von der eigenen Arbeit betreuen und nicht versuchen, ihnen ihren eigenen Stil überzustülpen“, sagt Maksimovic. Oft würden in den Kursen dauernd „alte Schuhe und Gläser“ gezeichnet. Künstlerisches Talent zeige sich aber eher bei der Beschäftigung mit ausgefallenen Gebieten - „etwa Tortendesign“.
Wer an eine Kunsthochschule will, braucht keine guten Schulnoten: Statt eines Numerus clausus gibt es Aufnahmeverfahren, in denen eine Mappe mit Arbeitsproben vorgelegt werden muss, wie der Bundesverband Bildender Künstler erläutert. Das Studium der Bildenden Kunst dauert in der Regel fünf Jahre. Seit kurzem können Künstler an 14 Hochschulen bundesweit auch einen Doktor machen.
Bewerber brauchen Durchhaltevermögen. Denn die Schulen vertreten ganz unterschiedliche künstlerische Philosophien. „Wenn man bei einer abgelehnt wurde, heißt das nicht, dass man kein Talent hat, sondern oft, dass man nicht zur Philosophie der jeweiligen Schule passt“, betont Maksimovic.
Nach dem Studium arbeiten Absolventen in der Regel freischaffend. „Ein Künstler muss sein Produkt organisieren und verkaufen“, sagt Maksimovic. Im besten Fall haben sich Hochschüler im Studium Netzwerke aufgebaut und Sammler kennengelernt, die ihnen finanziell und moralisch den Rücken stärken. Nach Einschätzung von Sery gelingt es nur fünf Prozent der Absolventen, sich in den ersten drei Jahren nach Verlassen der Hochschule einen Namen zu machen. Der Rest schlägt sich oft mehr schlecht als recht durch. Solche Aussichten klingen nicht gerade verlockend - den Ansturm auf die Kunsthochschulen bremsen sie aber keineswegs.