Wie werde ich...? Gerichtsvollzieher
Pegnitz/Dietrichsdorf (dpa/tmn) - Gerichtsvollzieher sind selten gern gesehen. Beim Geldeintreiben kann es brenzlig werden. Sie haben daher keinen leichten Job. Für ihn brauchen sie nicht nur juristischen Sachverstand, sondern müssen auch mit Menschen umgehen können.
Wenn der Mann mit dem Kuckuck klingelt, bedeutet das oft Ärger. Denn meist will der Gerichtsvollzieher dann Geld von Schuldnern für seine Auftraggeber eintreiben. Sein Job ist aufreibend und verlangt Fingerspitzengefühl. Denn wo er hinkommt, ist häufig eh nicht viel zu holen. Neben dem Pfänden hat der Gerichtsvollzieher aber noch andere Aufgaben und hoheitliche Rechte: Er darf Menschen notfalls auch verhaften.
Bevor jemand Gerichtsvollzieher im öffentlichen Dienst werden kann, muss er in der Regel die Laufbahn des mittleren Justizdienstes einschlagen. Nach bestandener Prüfung können sich die Beamten zum Gerichtsvollzieher weiterbilden lassen. Das dauert etwa eineinhalb bis zwei Jahre. Ohne juristische Vorbildung können Quereinsteiger in Ausnahmefällen für die Weiterbildung zugelassen werden.
In Deutschland gibt es vier Justizausbildungsstätten. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ist eine solche Schule in Monschau in der Eifel angesiedelt. „Dort werden die Gerichtsvollzieher von sieben Bundesländern ausgebildet“, erklärt Robert Hippler. Der Oberregierungsrat leitet die bayerische Justizschule in Pegnitz nördlich von Nürnberg, wo Beamte aus Bayern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt weitergebildet werden.
Neben Themen wie Warenkunde, Verwaltungs- und Insolvenzrecht stehen Gesprächsführung und Selbstverteidigung auf dem Stundenplan. „Die Gerichtsvollzieher sind sehr stark menschlich gefordert“, sagt Roland Höhne aus Dietrichsdorf. „Sie müssen ein Feeling haben im Umgang mit Menschen“, erläutert der Landesvorsitzende des Deutschen Gerichtsvollzieher Bundes in Sachsen-Anhalt.
Warum das so ist, zeigt ein Blick auf ihre vielfältigen Aufgaben. Gerichtsvollzieher setzen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit Urteile und Beschlüsse eines Gerichts durch. Beim Pfänden kleben sie ein Siegel - den sogenannten Kuckuck - auf Gegenstände und lassen sie abholen. In den meisten Fällen kommt es aber nicht so weit. Vielfach vereinbart der Beamte mit den Schuldnern Ratenzahlungen oder verständigt sich anderweitig, immer im Sinne des Gläubigers. „In erster Linie sind wir angehalten, eine gütliche Einigung mit dem Schuldner zu erzielen“, erklärt Höhne.
Gerichtsvollzieher versteigern aber auch Erbanteile. Und sie werden eingesetzt, wenn Kinder auf behördliche Anordnung der Obhut ihrer Eltern entzogen werden. Außerdem stellen sie Willenserklärungen und Entscheidungen zu. „Wir können Wohnungen aufbrechen, durchsuchen und Leute verhaften“, zählt Höhne auf. Auch mit den wirtschaftlichen Folgen von Scheidungen beschäftigen sich die Fachleute. Dabei treffen sie auf Menschen aus allen sozialen Schichten.
Ohne ein feines Gespür für ihr Gegenüber und eine ausgeprägte Konfliktfähigkeit geht in dem Beruf nichts. „Das ist das Allerwichtigste“, sagt Hippler. „99,9 Prozent der Menschen sind Menschen, die einfach Pech hatten im Leben“, ergänzt Höhne. „Vielfach ist nichts zu pfänden, was sich lohnen würde.“
Ein Videorekorder zum Beispiel ist mittlerweile nicht mehr viel wert. Er lässt sich kaum gewinnbringend versteigern. Autos hingegen schon, abhängig von Alter und Zustand. Die Experten müssen einschätzen können, ob der Wagen, die Uhr oder die Münzsammlung des Schuldners etwas wert sind.
Auch wenn Gerichtsvollzieher Beamte sind, ähnelt ihr Job sehr dem eines Selbstständigen. Meist haben sie ein eigenes Büro außerhalb des zuständigen Amtsgerichts und beschäftigen sogar Schreibkräfte. „Wir arbeiten, wie wir das für richtig halten“, sagt Höhne, der oft abends unterwegs ist, um Schuldner zu treffen. Konkurrenz um Aufträge gibt es zwischen Gerichtsvollziehern nicht. Wie ein Schornsteinfeger hat jeder seinen eigenen Bezirk. „Alle Schuldner, die in seinem Bezirk wohnen, sind seine“, erläutert Höhne.
Bundesweit gibt es nach Hipplers Worten gut 4800 Gerichtsvollzieher. Etwa 1500 davon sind Frauen. Die zeitliche Flexibilität des Berufes mache ihn auch für Mütter attraktiv, sagt er. Dennoch gilt: „Es ist kein einfacher Job.“ Er verlangt Organisationstalent, Durchsetzungsfähigkeit und Disziplin.