Landtagsstenograf - Die Fehlerkorrektur der Abgeordneten

Kiel (dpa) - Steno im Zehn-Minuten-Takt: Ein Quintett an Schnellschreibern hält die Debatten des Landtags in Kurzschrift fest. Die Stenografen arbeiten leise im Verborgenen, manch Abgeordneten lassen sie aber sprachlich besser aussehen.

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Sein Platz ist dazwischen. Links von Thomas Wagner ist die Regierungsbank, rechts sitzt die Opposition. Der 38-Jährige schreibt alles mit, was die Abgeordneten im schleswig-holsteinischen Landtag von sich geben - direkt am Rednerpult oder als Zwischenruf. Wagner ist einer von fünf Kieler Landtagsstenografen. Bis zu 300 Silben pro Minute protokolliert er auf Papier. Zum Vergleich: Ein Nachrichtensprecher spricht deutlich langsamer.

Wagner saugt im Plenum jede Rede, jeden Zuruf auf. Da ist Konzentration gefordert. Alle zehn Minuten wechseln sich die Stenografen ab. Sie prüfen, recherchieren, redigieren. „Wir wollen kein streng wörtliches Protokoll, sondern glätten die Reden und korrigieren kleine Fehler“, sagt der studierte Psychologe und Politikwissenschaftler. Am Ende sollen die Beiträge so im Protokoll stehen, wie sie gemeint waren.

Wagner bügelt aber nicht nur sprachliche Unsauberkeiten wie „das zahnlose Schwert“, sondern auch inhaltliche Fehler aus. Er prüft jede Zahl und die Korrektheit verwendeter Zitate. „Wir bilden uns ein, dass die Protokolle für Jahrhunderte im Archiv landen“, sagt er. Der Zeitdruck während einer Sitzungswoche ist enorm. Die Protokolle sollen spätestens am nächsten Tag vorliegen.

Zuvor müssen die Abgeordneten gegenlesen. „Früher kam es schon mal vor, dass sie inhaltlich umfangreiche Korrekturen vornahmen“, sagt Referatsleiterin Dörte Schönfelder. Das erlaubt die Geschäftsordnung des Landtags aber nicht mehr. „Die Abgeordneten dürfen nur Korrekturen vornehmen, ihre Rede aber im Nachhinein nicht neu schreiben.“

Mittlerweile lernen immer weniger Menschen die Kurzschrift. Der Kieler Landtag bildet seine Stenografen wie der Bundestag selbst aus. „Wir sind wie die Dinosaurier“, sagt Schönfelder. Die Ausbildung dauert zwei bis drei Jahre, je nach Vorkenntnissen. Wer diesen Job machen will, braucht aber nicht nur ein hohes Tempo beim Schreiben, sondern auch ein abgeschlossenes Studium. Alle fünf Kurzschrift-Spezialisten sind zudem Geschäftsführer mindestens eines Ausschusses.

Schönfelder selbst fing mit 19 nach dem Abitur als Stenografin an und studierte parallel Jura. Mittlerweile ist sie 38 und hat die unterschiedlichsten Politikertypen stenografiert. Manchmal kommt aber auch sie nicht hinterher. „FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki in Höchstform kriegt man selbst mit 350 Silben nicht mit.“ Beim schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD) fällt ihr die Arbeit leichter: „Der ist gut mitzuschreiben, weil er immer ein bisschen staatstragend spricht.“

Ihr Kollege Wagner arbeitet besonders gern mit der schleswig-holsteinischen Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW). „Manch andere Abgeordnete lassen sich von der Stimmung davontragen. Dann passt der Satzanfang nicht zum Ende“, sagt er. Manchmal kämpft er aber mit ganz anderen Problemen. Lange hätten sie beispielsweise nach dem von SPD-Mann Peter Eichstädt ins Spiel gebrachten Professor I. R. Gendwer gesucht. „Es hat lange gedauert, bis uns der Wortwitz aufgefallen ist.“

Eine schnellere Alternative zur Stenografie sieht Wagner trotz allen technischen Fortschritts nicht. „Sicher wirkt diese Arbeit angesichts von Diktiergeräten und Spracherkennungssoftware anachronistisch“, sagt er. Tonaufnahmen erforderten aber mehr Nachbearbeitung. „Software funktioniert dann gut, wenn mit einem begrenzten Wortschatz gearbeitet wird.“ Das ist im Landtag eher nicht der Fall.