Richard David Precht und das Philosophie-Studium
Lüneburg (dpa/tmn) - Richard David Precht ist Bestseller-Autor, Philosoph und Honorarprofessor an der Universität Lüneburg. Er hat Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte an der Uni Köln studiert und dort auch promoviert.
Heute würde er eine kleinere Uni vorziehen.
Würden Sie noch einmal Philosophie studieren?
Precht: Ich wollte eigentlich Biologie und Philosophie studieren, aber das ging in Köln damals nicht. Heute würde ich empfehlen, Philosophie zu studieren, aber mit Jura, Biologie oder Ökonomie. Die Kombination finde ich schon stark.
Kann man Philosophie genauso gut an einer Massen-Uni studieren?
Precht: Ein optimales Lernklima hat man in Seminaren mit 15 bis 20 Studenten. Aber das gilt auch für andere Fächer. Wenn es deutlich mehr sind, ist das sicher keine ideale Veranstaltung. Das geht nur, wenn die Philosophie-Profs auf der Bühne richtig gut sind, und das sind viele nicht. Ich würde tendenziell eine kleinere Uni wählen.
Ist Philosophie wichtiger geworden?
Precht: Philosophie wird wieder wichtiger, und das Potenzial ist riesengroß. Wenn man mit populärwissenschaftlichen Büchern solche Erfolge hat wie ich, zeigt das, dass Philosophie viele Menschen interessiert. Das Fach Philosophie an den Universitäten ist allerdings stark rückwärtsgewandt. Viele Lehrstuhlinhaber sind keine Philosophen, sondern Philologen oder Historiker. Die Philosophie wird aber zunehmend gegenwartsbezogener. In der jüngeren Generation gibt es viele, die sich einen anderen Umgang mit Philosophie wünschen.
Muss man schon im Philosophie-Studium an den Arbeitsmarkt denken?
Precht: Man muss während des Studiums immer schon an einem Plan B arbeiten. Ich habe mit 29 promoviert und bis dahin außer Uni nichts gemacht. Als meine Assistenzstelle endete, stand ich vor dem Nichts und war arbeitslos. Eine Zeit lang musste ich mit 900 Mark Arbeitslosengeld auskommen. Es hilft auf jeden Fall, schon im Studium Erfahrungen mit der Berufswelt zu sammeln und Kontakte zu knüpfen.
Hat die Bologna-Reform da einiges verbessert?
Precht: Das Studium hat nicht den Sinn, dem Arbeitsmarkt Arbeitskräfte zuzuführen. Aber es kann nicht schaden, wenn Praxiserfahrung zum Pflichtprogramm wird wie im Bachelorstudium. Wir müssen allerdings weg vom ganz schnellen Studium und der rein fachlichen Ausrichtung. Das ist das Gegenteil von Philosophie.
Werden die Aussichten für Philosophie-Absolventen besser?
Precht: Noch sind die beiden Kulturen in den Unternehmen stark getrennt: Da sind die einen, die verstehen was von Zahlen, und die anderen von schönen Worten. Das hat sich noch wenig verändert. Dabei müssten die Unternehmen ein vitales Interesse an Leuten haben, die einen Blick von außen auf sie und auf die Welt werfen. Der Durchbruch kommt erst, wenn die Wirtschaftsanalysen von Philosophen im Wirtschaftsteil gedruckt werden statt im Feuilleton.
Literatur:
Richard David Precht: Wer bin ich - und wenn ja wie viele, Goldmann, 400 Seiten, 14,95 Euro, ISBN-13: 9783442311439
Richard David Precht: Liebe - ein unordentliches Gefühl, Goldmann, 400 S., 19,95 Euro, ISB-13: 9783442311842
Richard David Precht: Die Kunst, kein Egoist zu sein, Goldmann, 544 S., 19,99 Euro, ISBN-13: 9783442312184