Rückkehr der Rentner: Unternehmen holen Senioren zurück
Stuttgart (dpa) - Mit 66 Jahren ist noch lange nicht Schluss: Zahlreiche Unternehmen verlassen sich bei Spezialaufträgen mittlerweile lieber auf altgediente Mitarbeiter statt auf unerfahrene Jungspunde - und holen Rentner zurück an den Arbeitsplatz.
Im Ruhestand noch vom Chef angerufen werden? Für so manchen Arbeitnehmer ist das wohl keine allzu verlockende Vorstellung. Andere wiederum würden sich freuen, noch gebraucht zu werden und gerne mal wieder an ihre alte Wirkungsstätte zurückkehren. Auf eben diese Leute setzen mittlerweile zahlreiche große Unternehmen - und holen sie gezielt für befristete Einsätze zurück.
„Sie haben ein Firmenwissen, das sie so auf dem Markt gar nicht finden“, sagt Christoph Ebeling, Personalmanager bei der Hamburger Otto Group. Das Unternehmen setzt seit 2012 auf Senioren, die als Experten zeitweise an den Schreibtisch zurückkehren. „Diejenigen, die bisher im Einsatz sind, sind meist Experten, die über Jahrzehnte Fachwissen angesammelt haben.“ Aktuell beschäftigt Otto demnach etwa 50 Pensionäre als sogenannte Senior-Experten.
Damit ist die Gruppe nicht allein. Als einer der Vorreiter gilt der schwäbische Technikkonzern Bosch. Schon 1999 startete dort eine eigene Gesellschaft für Senior-Experten, die Bosch Management Support GmbH (BMS). Mittlerweile sind dort weltweit 1600 Senioren registriert. Sie alle arbeiten zeitlich befristet. Das Honorar orientiert sich an ihrem letzten Gehalt. Da die Vergütung über die Jahre hinweg steigt, ist das in den meisten Fällen also ein vergleichsweise teures Gastspiel.
„Wir müssen voll durch unsere Leistung überzeugen und das spornt uns Seniorexperten an“, sagt BMS-Geschäftsführer Georg Hanen. Der 61-Jährige, der selbst schon in Rente ist, teilt sich die Stelle mit einem anderen Senior. Der größte Vorteil ist, dass die Experten den Konzern in- und auswendig kennen. Sie sind vom ersten Tag an einsatzbereit. Der Einarbeitungsaufwand entfällt praktisch komplett. Jede dritte Senior kommt bei Bosch im kaufmännischen Bereich zum Einsatz, mehr als jeder Fünfte hilft in der Fertigung aus.
Hanen selbst war noch vor einem Jahr Bereichsvorstand bei der Bosch-Tochter Bosch Rexroth. Deren Verträge enden bei Bosch ab einem Alter von 60 Jahren. „Für mich war es zwar interessant, mich aus dem eng getakteten Tagesgeschäft zurückzuziehen“, sagt Hanen. „Aber nur noch mit dem Hund rauszugehen - das kann es auch nicht sein.“
Von dieser Einstellung profitieren mittlerweile mehrere Unternehmen. Der Autobauer Daimler hat dazu vor einem Jahr einen Expertenpool eingerichtet, in dem sich Rentner registrieren lassen können - mitsamt ihrer speziellen Fähigkeiten und Erfahrungen. Bei Bedarf sollen sie dann für maximal sechs Monate im Jahr in den Konzern zurückkehren.
Ein Beispiel für ihren Einsatz sei der Übergang von einem alten IT-System in ein neues. „Wir hatten tatsächlich niemanden mehr, der die Programmiersprache konnte“, sagt Personalvorstand Wilfried Porth über einen solchen Fall. Auch bei Serienanläufen neuer Modelle seien Pensionäre gefragt. „Wir haben nicht an jeder Stelle im Unternehmen Menschen, die schon so viele Anläufe durchgemacht haben“, erklärt der Manager. „Da gehört schon sehr viel spezielles Mercedes-Wissen dazu.“
Nicht jeder sieht das allerdings ausschließlich positiv: „Es wäre geschickter das Wissen zu vermitteln, bevor die Leute ausscheiden“, gibt eine Sprecherin der IG Metall zu bedenken. „Es muss im Interesse des Unternehmens sein, da eine strategische Personalplanung zu machen.“
Für viele Unternehmen sind ältere Mitarbeiter häufig aber die einzige Alternative. „Wir würden schon junge Leute einstellen“, sagt Jens Fahrion, Geschäftsführer von Fahrion Engineering. Das Familienunternehmen mit Sitz in Kornwestheim plant Produktionsanlagen und Werkzeuge zum Beispiel für Maschinen- und Fahrzeugbauer. „Aber einen erfahrenen, jungen Projektleiter finden wir gar nicht.“
Um an qualifizierte Mitarbeiter zu kommen, müssen sich Unternehmen tatsächlich etwas einfallen lassen. Fahrion holt daher nicht nur Rentner für befristete Projekte zurück, sondern setzt insgesamt gezielt auf die Generation 50 plus. „Studienabgänger können oft nicht auf Augenhöhe mit Auftraggebern kommunizieren“, sagt Fahrion. Zwar seien die Lohnkosten für ältere Projektleiter höher. Das würde allerdings dadurch wettgemacht, dass sie häufig lukrative Folgeaufträge an Land zögen.
Völlig reibungslos läuft die Rückkehr an den alten Arbeitsplatz allerdings nicht immer. „Neben viel Begeisterung und Loyalität gab es manchmal auch eine Erwartungshaltung, mit der wir nicht gerechnet hätten hatten“, sagt Otto-Personalmanager Ebeling. „Manchmal wurde gefragt, ob man den alten Firmenparkplatz zurückbekommen könnte. Aber das können wir leider nicht zusagen, was dann doch den einen oder anderen enttäuschte.“