Sabbatical und Co. - „Das ist nicht gleich ein Karriereknick“
Düsseldorf (dpa) - Es ist die Zeit der guten Vorsätze. Ganz oben auf der Hitliste steht in jedem Jahr der Wunsch nach weniger Stress. Stattdessen: Weltreise, Hausbau, soziales Engagement oder mehr Zeit mit den Liebsten.
Aus diesem Wunsch wird immer öfter eine mehrmonatige Auszeit vom Job.
Der Ausstieg aus dem Alltag, häufig Sabbatical genannt, ist mittlerweile selbstverständlich geworden - für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Und wird immer beliebter. 2016 wollen 63 Prozent der Deutschen mehr für ein stressfreieres Leben tun, wie aus einer repräsentativen Forsa-Umfrage für die Krankenkasse DAK hervorgeht.
Barbara Stäbler wollte mehr von der Welt sehen, als sie dem Alltag im September 2014 für ein Jahr „Lebewohl“ sagte. Gemeinsam mit ihrem Mann machte sich die 47-Jährige, die bei der Allianz-Versicherung für die Entwicklung von Führungskräften zuständig ist, auf Entdeckungstour. Singapur, Bali, Spanien, Uganda, Marokko und Sri Lanka waren Stationen, an denen sie haltmachten. Zwischendurch kamen sie immer wieder zurück nach München.
Zwölf Monate ging die Auszeit. Währenddessen hätten sie auch ein Entwicklungsprojekt an einer ugandischen Schule besucht und in Marokko mit Berbern eine Tour durchs Atlas-Gebirge unternommen - mit Trinkwasser, „das ich mir hart erarbeiten musste“. „Ich wollte mich mal wieder erden“, sagt Stäbler. Die Motivation für die Auszeit: die Welt sehen, Natur erleben, soziales Engagement. Selbstverwirklichung.
Diesen Trend zu immer mehr Selbstverwirklichung sieht auch Johanna Aichmüller, Personalleiterin bei der Allianz. Der Großteil jener Mitarbeiter, die eine mehrmonatige Auszeit nehmen, gehe ihrer Erfahrung nach auf Reisen. Auf Platz zwei folge soziales Engagement, etwa die Unterstützung eines Entwicklungshilfeprojekts.
Für die 18- bis 45-Jährigen seien heute andere Faktoren entscheidend als für die „Babyboomer“, sagt Katharina Heuer, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Personalführung in Düsseldorf. Jüngeren sei die Balance zwischen Job und Freizeit oft wichtiger als die nächste Gehaltsstufe. Diese Haltung hat sich mittlerweile in der Wirtschaft etabliert: Ein Sabbatical - „das ist nicht gleich ein Karriereknick“, sagt Heuer. Im Gegenteil, sogar ältere Generationen begegneten diesem Trend mit Wohlwollen.
Dem Wunsch nach Selbstverwirklichung kommen viele Firmen mittlerweile von sich aus nach. „Die Unternehmen merken, dass Sie attraktiver werden und mehr bieten müssen“, sagt Heuer. Sie könnten nicht mehr davon ausgehen, dass die Mitarbeiter - einmal angestellt - bis zum Ruhestand in der Firma bleiben.
BMW-Sprecher Jochen Frey spricht von einem „höheren Wunsch nach Flexibilität und Individualität“. Der Autobauer kommt dem seit 2008 mit dem Modell „Vollzeit Select“ nach, das seinen Mitarbeitern 20 zusätzliche Urlaubstage gewährt. Die Zahl der beanspruchten Sabbaticals - bei BMW entspricht das einer Auszeit von bis zu sechs Monaten - ist seitdem von mehr als 1300 auf knapp 500 zurückgegangen. Gleichzeitig hätten allein bis Ende September fast 3500 Mitarbeiter das Plus auf dem Urlaubskonto in Anspruch genommen, sagt Frey.
Eine ähnliche Entwicklung machen auch andere große Unternehmen aus - egal, ob die Auszeit nun drei, sechs oder gar zwölf Monate beträgt. Die Nachfrage nach Sabbaticals bis zu einem Jahr habe sich seit dem Geschäftsjahr 2012/2013 (30. September) auf rund 1000 verdoppelt, sagt Siemens-Sprecher Michael Friedrich. „Wir stellen generell eine hohe Nachfrage nach flexiblen Arbeitszeitmodellen fest.“ Dazu gehöre auch das Arbeiten von zu Hause aus.
Für die Unternehmen bedeutet diese Kultur der Flexibilität zwar mehr Verwaltungsaufwand, aber oft auch einen Gewinn. Die Angestellten seien „in der Zeit, in der sie da sind, womöglich motivierter und tatkräftiger“, sagt Jochen Frey von BMW. Allianz-Personalleiterin Aichmüller sagt, die Kollegen kämen „mit großer Motivation“ aus dem Sabbatical. Und Katharina Heuer glaubt: „Kompetenzentwicklung findet nicht nur im Job statt“ - sondern eben auch im Atlas-Gebirge.
Einen Sabbatical-Kater, hat es so etwas beim Wiedereinstieg gegeben? Nein, sagt Barbara Stäbler. Kein Kater, nur ein paar Wochen der Einarbeitung. „Manchmal ist es mir nach einem zweiwöchigen Urlaub schwerer gefallen, wieder anzufangen.“