Übers Praktikum zur Ausbildung im Handwerk
Berlin (dpa/tmn) - Die Aussichten auf einen Ausbildungsplatz im deutschen Handwerk waren schon einmal schlechter. Das liegt nicht zuletzt an der demografischen Entwicklung: Die Zahl der Bewerber geht zurück.
Vielen Schulabgängern eröffnen sich in den mehr als 130 Handwerksberufen vom Bäcker bis zum Mechatroniker damit Perspektiven, die es vor einigen Jahren noch nicht gegeben hätte. Die Branche kann nicht einmal alle Lehrstellen besetzen. Das gilt vor allem für Ostdeutschland. „Es gibt dort nicht in jedem Betrieb freie Stellen, aber in allen Berufen“, sagte Alexander Legowski, Sprecher des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.
Wichtig sei, dass Schüler rechtzeitig mit Handwerksbetrieben in Kontakt kommen. Genau daran fehle es, kurze Schulpraktika reichten in der Regel nicht aus. Jugendliche, die noch auf der Suche nach einem Beruf sind, sollten sich deshalb ruhig in Betrieben vorstellen, die sie interessieren: „Wir sagen immer 'Macht ein Praktikum, sucht euch in den Sommerferien mal für vier Wochen einen Platz'“ Die meisten Handwerksmeister seien sehr offen, wenn jemand zu ihnen kommt und sagt „Ich will mal sehen, wie es in dem Beruf zugeht“.
Mit einem freiwilligen Betriebspraktikum biete sich aber nicht nur die Chance auf einen besseren Einblick in die Berufswelt und ein solideres Fundament für die Berufswahl. „Wer so ein Praktikum gemacht hat, hat die besten Karten, wenn dann eine Lehrstelle vergeben wird“, sagte Legowski. Motivation sei dann auch der Schlüssel für eine gute Gesellenprüfung, sagte Legowski: „Es gibt diese Spätzünder, die aber schließlich doch gute Handwerker werden.“ Bei Schwierigkeiten mit dem Lernstoff in der Berufsschule könnten die Ausbildungsbetriebe oft helfen - entsprechende Angebote zur „Nachhilfe“ seien verbreitet.
Die Ausbildung im Handwerk werde immer mehr auch von Realschülern und Abiturienten nachgefragt, sagte Legowski. Anders als das Klischee es nahelegt, gebe es sogar Handwerksberufe, in denen das Abitur der häufigste Schulabschluss der Lehrlinge ist, „Hörgeräteakustiker zum Beispiel.“ Aber auch in anderen Berufen seien Abiturienten gefragt - die dann oft auch für Führungspositionen infrage kämen. „Wir gucken deshalb auch auf die doppelten Abiturjahrgänge“, sagte Legowski.
Für manchen Abiturienten sei das eine Überlegung wert, gerade in diesem Jahr nicht an die Uni zu gehen, wo sich die Bewerber noch mehr als sonst drängeln. Ein duales Studium mit einer Handwerksausbildung könne eine gute Alternative sein. „Das ist zwar viel Plackerei, aber man bekommt auch sein Gehalt“, sagte Legowski. „Und hinterher mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Arbeitsstelle.“
Auch für Frauen sei die Karriere im Handwerk eine Option, sagte der ZDH-Sprecher. Die Vorstellung, Handwerksberufe seien Männersache, sei längst überholt. Das gelte auch für die Aufstiegschancen. Sich im Handwerk selbstständig zu machen und die eigene Chefin zu werden, sei oft sogar einfacher als in anderen Bereichen des Berufslebens.