Wenn der Körper streikt - Im Alter eine Umschulung machen
Nürnberg (dpa/tmn) - Vom Steinmetz bis zum Schmied: Manche Berufe sind körperlich so anspruchsvoll, dass Beschäftigte sie nicht bis zur Rente ausüben können. Dann müssen sie häufig umlernen. Bei diesem schwierigen Prozess sind sie jedoch nicht allein.
Im letzten Drittel des Berufslebens noch einmal von vorne anfangen: Das ist gar nicht so selten. Es gibt Berufe, die so anstrengend sind, dass Beschäftigte sie nicht bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter durchhalten. Dazu gehören etwa der Zimmermann, der Fliesenleger oder die Krankenschwester. Immer mehr Ältere drücken dann noch einmal die Schulbank und lernen einen neuen Beruf - Tendenz steigend. „Rund 2000 Personen, die älter als 50 Jahre waren, haben 2013 eine Umschulung begonnen“, sagt Ilona Mirtschin, Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Zum Vergleich: 2007 haben nur etwa 600 Arbeitnehmer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
In welchen Jobs Beschäftigte besonders häufig wegen körperlicher Probleme aussteigen müssen, verraten die Statistiken nicht. Oft seien es Handwerker oder Pfleger, sagt Andreas Mergenthaler. Er ist Koordinator für Alterung und Mortalität beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden.
Wer körperliche Beschwerden hat und seinen Job auf absehbare Zeit nicht mehr machen kann, sollte sich zunächst einmal an den Arbeitgeber wenden, rät Alexander Legowski vom Zentralverband des Deutschen Handwerks. Nicht selten gebe es eine andere Verwendung für die betroffene Person im Betrieb - etwa im Lager oder im Büro. Viele Firmen hätten aufgrund des Fachkräftemangels ein Interesse daran, ältere Mitarbeiter zu halten. Oft finden sich kreative Lösungen, wenn ein Geselle oder Meister nicht mehr in seinem Job arbeiten kann.
In größeren Unternehmen gibt es häufig sogar spezielle Programme, die helfen, Beschäftigte mit körperlichen Problemen im Betrieb zu halten. Dort wenden sich Mitarbeiter am besten an ihren direkten Vorgesetzten. Kleinen und mittleren Unternehmen bietet die Bundesagentur für Arbeit Unterstützung an, sagt Mirtschin.
Droht der Verlust der Arbeitsstelle, sollten Betroffene sich rasch bei der Arbeitsagentur vor Ort melden. Neben dem Personalausweis und den Arbeitspapieren bringen sie am besten gleich ein Attest des behandelnden Arztes mit, rät Mirtschin.
Eine Alternative sind die Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation, die in fast allen großen Städten zu finden sind. Auch hier können Betroffene eine Umschulung beantragen, die in der Regel die Arbeitsagentur finanziert. Auch die Rentenversicherung biete Unterstützung bei der Finanzierung, sagt Dirk von der Heide, Pressesprecher der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin.
Die Berater in den Servicestellen oder bei der Arbeitsagentur besprechen mit dem Antragsteller zunächst, welcher Beruf infrage kommt. „Wir schauen auf Erfahrungen und Tätigkeitsschwerpunkte der Berufstätigen“, erläutert Mirtschin. Wenn ein Handwerker etwa in seiner Branche bleiben will und nur eine weitere Qualifizierung braucht, um etwa im Büro zu arbeiten, sei das oft in wenigen Monaten geschafft. Voraussetzung für die Umschulung ist allerdings, dass der Beschäftigte eine Perspektive in dem neuen Beruf hat.
Normalerweise dauert eine Umschulung zwei Jahre. In dieser Zeit bekommt der Lernende das sogenannte Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung. Das berechnet sich nach dem Gehalt, das er zuvor verdient hat. „Die Kosten der Umschulung werden in der Regel komplett übernommen“, erklärt Mitschin. Auch Nachhilfe kann die Behörde finanzieren, wenn ein Umschüler nicht zurechtkommt.
Ideal ist, wenn Beschäftigte nach der Umschulung in der gleichen Branche bleiben. „Für einen Dachdecker wäre eine Einkaufsgenossenschaft oder ein Lieferant von Dachziegeln eine gute Adresse“, sagt Karriereberaterin Doris Brenner aus Rödermark. Das habe den Vorteil, dass Berufstätige ihre langjährige Erfahrung beim neuen Arbeitgeber nutzen können.
Nach der Umschulung sollten Ältere zunächst versuchen, über Kontakte einen neuen Arbeitgeber zu finden, rät Brenner. Das sei oft leichter, als sich auf Stellenanzeigen zu bewerben und mit zahlreichen jüngeren Bewerbern zu konkurrieren. Gut sei auch, Fachveranstaltungen wie Messen zu besuchen und im persönlichen Kontakt mit Arbeitgebern zu punkten.
Grundsätzlich gut geeignet seien Jobs, bei denen es vor allem darum geht, den Überblick zu behalten und Aufgaben zu koordinieren, sagt Brenner. Aufgrund ihrer Berufserfahrung sind Ältere darin häufig sehr gut - und haben den Jüngeren einiges voraus.