Die große Vergesslichkeit der Verbraucher

Warum Menschen nach Lebensmittel-Skandalen ihr Verhalten nicht ändern.

Düsseldorf. Pferdefleisch in der Lasagne, Dioxin in Eiern — die Verbraucher ärgern sich über Skandale wie diese, aber nur wenige ändern ihr Konsumverhalten. Warum eigentlich nicht?

„Menschen sind Gewohnheitstiere. Sie fallen schnell in ihren Trott zurück“, sagt Stephan Grünewald, Autor und Psychologe vom Kölner Rheingold-Institut. Die Menschen hätten das Gefühl, dass die Welt überkomplex und überfordernd ist.

Das bestätige sich, wenn sie im Supermarkt sind. „Wer jeden Inhaltsstoff und jede Angabe überprüfen will, braucht Stunden für den Einkauf.“ Der Verbraucher stelle deshalb auf Autopilot. „Das Einkaufen vollzieht sich in einer routinierten Achtlosigkeit“, sagt Grünewald.

„So lange man die Bilder im Kopf hat, das Thema medial präsent ist, reagieren Menschen“, erklärt Grünewald, aber nicht langfristig. Denn trotz vieler Fleisch-Skandale ist der Konsum bei den Deutschen hoch. 85 Prozent verzehren laut „Fleischatlas 2013“ täglich Fleisch.

„Bei Dingen, die wir mögen, blenden wir die Risiken aus. Das ist beim Fleischkonsum genauso wie beim Raucher, der auf Helmut Schmidts hohes Alter verweist“, sagt Tobias Langner, Konsumforscher von der Bergischen Uni Wuppertal.

Wenn der Skandal aktuell ist, machen Verbraucher ihrem Ärger Luft — besonders gern in sozialen Netzwerken. Grünewald bezeichnet das als eine Art „Internetgerichtshof“. Tapio Liller, Fachmann für PR im Social Web bei Oseon in Frankfurt, erklärt, dass ein Großteil des Sich-Aufregens der Selbstberuhigung dient. „Die Proteste im Netz sind wohlfeil.“ Liller schließt nicht aus, dass der ein oder andere Verbraucher sein Verhalten ändert, aber nur kurzfristig.

Es ist schwer, Gewohnheiten zu ändern, weiß Grünewald. „Das gelingt nur unter ständigem Leidensdruck.“ Die menschliche Bequemlichkeit führe aber zu blinden Automatismen. Zudem wirke jeder Skandal wie ein „reinigendes Gewitter“. Die Verbraucher glaubten, dass danach alles besser werde. Grünewald: „Skandale sind die Lizenz, sich nach dem Abebben noch weniger um das Thema zu kümmern.“