24-Stunden-Trauservice: Wo Verliebte nachts heiraten
Rechberghausen (dpa) - Mit einem 24-Stunden-Trauservice wirbt eine schwäbische Gemeinde um Hochzeitspaare. Der Plan scheint aufzugehen: Die Heiratswilligen kommen in Strömen.
In der kleinen Gemeinde Rechberghausen kann es schon mal passieren, dass mitten in der Nacht eine Hochzeitsgesellschaft hupend durch den Ort fährt. Auch an Weihnachten oder Neujahr. In der selbst ernannten Hochzeitsgemeinde im Kreis Göppingen können sich verliebte Pärchen an 24 Stunden am Tag das Ja-Wort geben - an 365 Tagen im Jahr.
Vor gut 16 Jahren hatten Bürgermeister Reiner Ruf und einer seiner Mitarbeiter die findige Idee, den Rund-um-die-Uhr-Service einzuführen. „Damals war es bei Standesämtern schwer, samstags oder sonntags Termine zu bekommen“, erzählt Ruf. „Das wollten wir ändern. Und wenn schon am Wochenende, dann richtig“, sagten sich die beiden und setzten ihren Plan in die Tat um.
Im vergangenen Jahr haben die 15 Standesbeamten des Ortes 367 Paare vermählt. „Für eine Gemeinde mit 5300 Einwohnern ist das ganz schön viel“, sagt Achim Laidig, Referent des Bürgermeisters und selbst Standesbeamter. In Dörfern dieser Größe würden normalerweise etwa 20 Ehen pro Jahr geschlossen. Besonders beliebt seien Hochzeiten zu besonderen Daten sowie an Silvester. Zum jüngsten Jahreswechsel wurden 17 Paare getraut, das erste davon um kurz nach Mitternacht. Der aktuelle Rekord wurde an Silvester 2011 aufgestellt. Er liegt bei 21 Paaren.
Hauptsächlich sind es Frauen, die in Rechberghausen die Ehen besiegeln. Viele von ihnen arbeiten in der Gemeindeverwaltung. Sogar Standesbeamte in Teilzeit gehören zum Team, um der Flut der Heiratswilligen Herr zu werden. Selbst Bürgermeister Ruf springt manchmal ein. „Ich übernehme meistens die nächtlichen Hochzeiten“, sagt er, „das möchte ich meinen Damen nämlich nicht antun.“
Spontan in der Nacht ins Schwäbische reisen, um zu heiraten, ist aber nicht möglich. „Ganz so wie in Las Vegas geht es hier in Deutschland nicht“, sagt Referent Laidig. Paare müssten sich erst von ihrer Heimatgemeinde an das Standesamt in Rechberghausen überweisen lassen. Danach sei dann noch ein Vorgespräch über die Rechte und Pflichten in einer Ehe vorgeschrieben. Erst dann können sich Braut und Bräutigam das Ja-Wort geben und Ringe austauschen.
Jürgen Rast, Präsident des Bundesverbands der deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten, sieht die Möglichkeit kritisch, zu jeder Tages- und Nachtzeit heiraten zu können. „Das scheint mir eher ein PR-Gag zu sein“, sagt Rast. „Die wollen wohl bundesweit Bekanntheit erlangen.“
Etwa 95 Prozent der Paare kommen von außerhalb in die kleine Gemeinde, um zu heiraten. Ein Großteil davon aus der Region rund um Stuttgart. Das dürfte neben den flexibel arbeitenden Standesbeamten auch an den speziellen Hochzeits-Angeboten des Ortes liegen. Geheiratet werden kann etwa unter freiem Himmel, bei Kerzenschein oder in einer Scheune. „Eigentlich ist der Hochzeitsort frei wählbar, Hauptsache er liegt auf der Gemarkung von Rechberghausen“, sagt Gemeindeoberhaupt Ruf.
„Hochzeiten in einem besonderen Rahmen sind im Kommen“, sagt Rast. Grundsätzlich bewertet er den Weg vieler deutscher Standesämter positiv, sich den Wünschen der Heiratswilligen zu öffnen.
In Rechberghausen treibt das besondere Blüten. Auch skurrile Wünsche werden hier erfüllt. „Wir hatten schon zwei große Bernhardinerhunde als Trauzeugen“, erzählt Bürgermeister Ruf. Die Tiere seien sogar festlich geschmückt gewesen. Und während der Trauung hätten sie „ganz brav Platz gemacht“.