Doktor auf dem Bildschirm Der Telearzt kommt zum Hausbesuch

Lindlar (dpa/tmn) - Wenn Helga R. aus dem Oberbergischen in Nordrhein-Westfalen von ihrem Hausarzt spricht, leuchten ihre Augen. Obwohl die 78-Jährige in einer sehr ländlichen Gegend wohnt, fühlt sie sich sicher und gut betreut von ihrem Arzt.

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Auf den beschwerlichen Weg in die Praxis muss sie sich kaum mehr machen. Ihr Hausarzt Thomas Aßmann bietet telemedizinische Betreuung an. Ein Konzept, das Schule machen soll. Telemedizinische Betreuung bedeutet: Der Arzt versorgt den Patienten, ohne dass sich beide im gleichen Raum aufhalten. Möglich wird das beispielsweise durch eine Videosprechstunde.

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Dafür braucht man einen internetfähigen Computer mit Kamera und Mikrofon sowie eine spezielle, datensichernde Software. Schon kommt der Arzt mit ein paar Klicks - virtuell - bis ins Wohnzimmer. Vor allem Patienten auf dem Land wie Helga R. profitieren von der Videosprechstunde.

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Und auch die Ärzte haben etwas von dem neuen System, findet jedenfalls Aßmann: „Ein Hausbesuch kostet mich fast eine Stunde Zeit, davon geht dreiviertel der Zeit nur für die Fahrt drauf“, erklärt der Experte für Telemedizin im Deutschen Hausärzteverband. Schon jetzt gebe es viel zu wenige Ärzte in ländlichen Regionen. Die Technik sei eine Möglichkeit, diesem Mangel etwas entgegenzusetzen.

Rund 15 Videosprechstunden absolviert der 54-jährige Facharzt für Inneres und Notfallmedizin derzeit pro Woche. Unterstützt wird er von einer Versorgungsassistentin. Bei Hausbesuchen schreibt sie unter anderem EKGs, misst den Blutdruck, nimmt Blut ab, bestimmt den Blutzuckerwert oder versorgt Wunden.

Die dafür notwendigen Geräte und Materialien hat sie im Telemedizin-Rucksack stets dabei. Die Ergebnisse überträgt die Versorgungsassistentin über eine gesicherte Leitung per Computer direkt in die Praxis. Dann stellt sie eine Video-Verbindung zum Arzt her. „Damit liegen mir alle notwendigen Vitaldaten des Patienten vor, und ich kann so, genau wie ich es in der Praxis handhaben würde, eine Diagnose erstellen“, erklärt Aßmann.

Ein weiterer Bereich der Telemedizin ist die ständige Überwachung des Patienten in seinem häuslichen Umfeld. Bei Patienten mit Diabetes, Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz müssen kontinuierlich Werte gemessen werden, um eine Verschlimmerung rechtzeitig zu erkennen.

„Wenn sich diese Patienten mit Hilfe von technischen Geräten entweder selbst überprüfen können, oder ihre Daten zur laufenden Überwachung zum Arzt oder ins Krankenhaus gesendet würden, wäre ihr Leben sehr viel einfacher“, erklärt Franz Bartmann, Ärztekammerpräsident in Schleswig-Holstein, wo mit der Kampagne „Wir lassen uns nicht abhängen!“ unter anderem für Telemedizin geworben wird. Gerade Patienten in höherem Alter seien durchaus offen für die neuen Möglichkeiten der Gesundheitsversorgung, ist Bartmanns Erfahrung.

Wer sich für das Angebot interessiert, kann bei seiner Krankenkasse anrufen und nach einem Tele-Arzt in der Umgebung fragen. Auch auf einigen Internetseiten werden Interessierte fündig. Jeder gesetzlich Versicherte hat das Recht, so ein Angebot auf Kassenkosten zu nutzen. Privatversicherte sollten vorab mit ihrer Versicherung sprechen.

Alles geht aber nicht via Internet: Ab und an müssen die Patienten immer noch persönlich in der Praxis erscheinen. Der letzte Besuch darf nicht mehr als zwei Quartale zurückliegen. Rezepte darf der Arzt via Telemedizin nur ausstellen, wenn es sich um Folgerezepte handelt. Das Erstrezept gibt es nach wie vor nur in der Praxis.

Voraussetzung für die Nutzung von Telemedizin ist natürlich eine gewisse Offenheit gegenüber technischen Geräten wie Computern oder Smartphones, erklärt Prof. Gerd Hasenfuß, Leiter der Kommission Telemedizin der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Außerdem müssen die Patienten bereit sein, Verantwortung für sich selbst zu tragen. Er ist sich aber sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis alle mit der gängigen Technik vertraut sind - und zwar unabhängig vom Alter.