Frauen mit 60 - Karriere, Mode, Familie und Pflege
Frankfurt/Main (dpa) - Kanzlerin Merkel ist 60 geworden. Ein Experte meint: „Die heute 60-Jährigen hätte man früher auf Anfang 40 geschätzt.“ Was hat sich im Leben der Frauen um die 60 in erster Linie geändert?
Frankfurt/Main (dpa) - Kanzlerin Merkel ist 60 geworden. Ein Experte meint: „Die heute 60-Jährigen hätte man früher auf Anfang 40 geschätzt.“ Was hat sich im Leben der Frauen um die 60 in erster Linie geändert?
Am Donnerstag (17. Juli) ist die Bundeskanzlerin Angela Merkel 60 geworden. Das Bild von Frauen in diesem Alter ist einem starken Wandel unterworfen. In Merkels Geburtsjahr 1954 feierten die Blues-Sängerin Bessie Smith oder die Tänzerin Martha Graham ihren 60. - heute prägen neben Merkel Schauspielerinnen wie Jutta Speidel oder Sabine Postel das Bild der 60-jährigen Frau.
Pflegeleichte Strähnchen-Frisur statt toupiertem Haarturm und Karriere statt Haushalt: „Das Bild der Frau mit 60 hat sich vollständig geändert“, stellt die Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, Ulrike Mascher fest. „Das fängt schon bei der Mode an“, sagt die 75-Jährige. „Wenn man hineinpasst, kann man heute alles tragen, und dann hat die Tochter möglicherweise die gleichen Klamotten an wie ihre Mutter.“
Antonio Weinitschke vom Zentralverband Friseurhandwerkformuliert es so: „Die heute 60-Jährigen hätte man früher auf Anfang 40 geschätzt.“ Das hat sich im Leben der Frauen geändert.
Mode: Frauen mit 60 können nach Einschätzung von Fachleuten 2014 eigentlich alles tragen. „Mode kennt kein Alter mehr“, sagt Nina Peter vom Deutschen Modeinstitut. „Jung und Alt wird als Mode gar nicht mehr differenziert.“ Die Mode habe sich selbst in der Business-Welt von festgelegten Looks und Outfits befreit. Noch bis vor zehn Jahren sei das Kostüm ein Muss gewesen. Dies gelte inzwischen nur noch für ganz kleine Segmente. „Eine erwachsene Frau kann heute auch einen Blazer zur Denim (Jeans) tragen und damit ins Büro gehen.“ Und: „Man kann heute alles mit allem kombinieren.“
Frisuren: „Die Mode macht nicht mehr so alt wie früher“, stellt Antonio Weinitschke vom Zentralverband Friseurhandwerk fest. Die hochtoupierten, konservativen Frisuren der 1950er und 1960er Jahre etwa hätten sportliche, flotte und pflegeleichte Frisuren abgelöst. „Der größte Teil der 60-Jährigen lässt sich die Haare färben.“ Grau sei etwas für besondere Typen oder die klassische Omi. Es muss auch nicht die Kurzhaarfrisur sein: Frauen entschieden sich für die Länge, die ihren Typ unterstütze und zur Kopf- und Körperform passe. „Es gibt auch 60-Jährige, die schulterlang tragen.“
Lebenserwartung: 60 Jahre alte Frauen haben nach den Hochrechnungen des Statistischen Bundesamtes 2014 durchschnittlich noch 25 Jahre vor sich. Vor 60 Jahren waren es etwa sieben Jahre weniger. Noch deutlicher ist die Lebenserwartung bei neugeborenen Mädchen gestiegen. Sie werden derzeit statistisch gesehen 82,7 Jahre alt - Anfang der 1950er Jahre waren es mehr als elf Jahre weniger.
Ehe und Scheidung: Mehr als jede dritte Ehe wird geschieden - meist auf Initiative der Frau. Bis Mitte der 70er Jahre wurde in der Bundesrepublik nach dem Schuldprinzip geschieden. Die Folge: „Frauen konnten sich in Westdeutschland nicht vom Mann trennen, weil sie es finanziell nicht überlebt hätten“, sagt Familiensoziologin Corinna Onnen. „Wenn man heiraten wollte, wurde einem angeraten, zu einer Brautschule zu gehen, damit man keine Fehler in der Ehe macht“, sagt die Forscherin. Das Bild der zufriedenen Hausfrau, die dem Mann untergeordnet ist, herrschte vor. „In Ostdeutschland war die weibliche Emanzipation der Maßstab für den wirtschaftlichen Erfolg.“
Führungspositionen: Eine Führungsposition? Für Frauen vor 60 Jahren nahezu undenkbar. Bis zur Neufassung des Ehe- und Familienrechts Mitte der 70er Jahre konnte der Mann das Arbeitsverhältnis seiner Frau noch kündigen - selbst gegen deren Willen. Rund 110 000 der 3,2 Millionen erwerbstätigen Frauen im Alter von 55 bis 64 Jahren bezeichnen sich inzwischen (2013) laut Statistischem Bundesamt als Führungskraft. 1993 waren es erst 65 100 von 1,2 Millionen.
Familie: Die Pflege in Deutschland würde ohne die heute 60-Jährigen nicht funktionieren, gibt VdK-Präsidentin Ulrike Mascher zu Bedenken. „Das größte Pflegeunternehmen in Deutschland sind immer noch die Familienangehörigen und zwar vor allem die Frauen, Töchter und Schwiegertöchter. Und das sind vor allem die 60-Jährigen.“ Zugleich werden sie oft von den eigenen Kindern gebraucht: „Die Erwerbstätigkeit von Frauen ist noch immer oft nicht ohne die Generation der Großmütter möglich.“ Diese machten dies zwar meist gerne, pochten aber auch häufiger auf eigene Bedürfnisse.
Job und Familie: Trotz aller Fortschritte bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt die Soziologin Corinna Onnen fest: „Wer fühlt sich für zu Hause verantwortlich? Da sind die Männer noch nicht genug im Boot.“ Solange die Frau allein alles unter einen Hut bekomme, könne sie Karriere machen. Wenn sie aber an Grenzen stoße, werde es schwierig. Und VdK-Präsidentin Ulrike Mascher meint: „Der Wunsch junger Frauen, selbstständig auf eigenen Füßen zu stehen und Kinder zu haben, ist eine große Herausforderung für die nächsten 60 Jahre.“