Frech und mitreißend: Jugendbuch um einen Tourette-Kranken
Berlin (dpa) - Wie erleben Kinder und Jugendliche Krankheit? Bestseller wie „Das Leben ist ein mieser Verräter“ und „Super Hero“ erzählen davon einem Millionenpublikum. Jetzt betritt Dylan Mint die Bühne - er hat Tourette und außerdem nur noch sechs Monate zu leben.
Die Pubertät pulst ihm aus allen Poren. Dylan ist 16 und ein typischer Teenager - mit ein paar speziellen Problemen. Da wäre zunächst Mr. Dog, wie er seine Krankheit nennt. Mr. Dog bricht aggressiv knurrend und fluchend aus Dylan heraus, wenn er wieder einmal einen seiner Tourette-Anfälle hat.
Das stört ihn im Moment vor allem beim Anbändeln mit der attraktiven Michelle auf dem Hof der Sonderschule. „Jetzt spricht Dylan Mint und Mr. Dog hält die Klappe“ lautet deshalb das selbstgesteckte Ziel des Jugendlichen, und genau so heißt auch der rotzfreche, tragikomische Roman des Schotten Brian Conaghan.
Dylans Leben ist schon kompliziert genug. Als er dann bei einer Untersuchung im Krankenhaus Wortfetzen einer Unterhaltung seiner Mutter mit dem Arzt aufschnappt, ist er sicher: Er hat nur noch sechs Monate zu leben. Aber seine Mutter will nicht mit ihm darüber reden. Also beschließt Dylan für sich allein, dass er vor seinem Tod unbedingt noch drei Dinge tun will.
Er macht eine Liste: Mit einem Mädchen schlafen (am liebsten mit der abweisenden, aber super sexy Michelle, die ADHS und einen Klumpfuß hat), einen neuen besten Freund für seinen pakistanischen, von den anderen Mitschülern gemobbten Freund Amir finden und seinen in Afghanistan als Soldat kämpfenden Vater nach Hause holen.
Die Stärke von Conaghans tragikomischem Buch ist die konsequente Erzählweise. Aus der Sicht von Dylan erlebt der Leser das reiche, aber manchmal schwierige Leben des Jungen mit Handicap. Der Autor trifft den pubertären Slang dieses schlauen, von eruptiven Ausbrüchen geplagten Heranwachsenden perfekt.
Dylans Sprache ist voller Wortspiele und Rap-Einlagen. Sein Blick auf die Welt ist geprägt von Filmen, Computerspielen, SMS-Kommunikation und TV-Shows. Auch Auseinandersetzungen mit behinderten Mitschülern und den fiesen Jungs von der „normalen“ Schule hinterlassen Spuren. Da kann es dann auch ziemlich vulgär werden, wie Gespräche unter Teenies eben so sind.
In der kongenialen Hörbuchfassung schlüpft der preisgekrönte Autor und Sprecher Martin Baltscheit („Die Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor“) in die Rolle von Dylan. Er lässt den lebenshungrigen, zwischen Angst und Aufbruchsstimmung schwankenden Jungen seine Sätze rasend schnell aneinanderketten. Mit manchmal fast überschlagender Stimme spricht und spielt er Dylan, der vor Ideen sprüht, sein Scheitern ständig vor Augen hat und dennoch nie aufgibt.