Generalvollmacht birgt Risiken - Betreuungsrecht vor Änderung
Berlin (dpa) - Wer Angehörigen eine Vorsorgevollmacht erteilt, kann dadurch die Bestellung eines gesetzlichen Betreuers im Krankheitsfall vermeiden. Doch eine Generalvollmacht birgt auch Gefahren.
Immer mehr Deutsche entscheiden sich für eine Vorsorgevollmacht. Darin kann jeder festlegen, wer nach einem Unfall, bei schweren psychischen Störungen oder einer Demenzerkrankung seine Angelegenheiten regeln soll. Durch die Vollmacht lässt sich vermeiden, dass ein Betreuungsgericht einen Fremden zum gesetzlichen Betreuer bestimmt. Doch eine Generalvollmacht kann auch leicht missbraucht werden oder zu Streit in der Familie führen. Deshalb, und weil das Berufsbild des Berufsbetreuers sehr unklar umrissen ist, will die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode eine Änderung des Betreuungsrechts vorantreiben.
Ein prominentes Beispiel dafür, welche Probleme beispielsweise bei der Betreuung von Demenzkranken auftreten können, ist der aktuelle Fall des in einem Pflegeheim untergebrachten Alt-Bundespräsidenten Walter Scheel (95). Dessen Tochter Cornelia will nun per Gerichtsbeschluss erreichen, dass Barbara Scheel, die dritte Ehefrau ihres Vaters, künftig nicht mehr nach eigenem Gutdünken über seine Betreuung und sein Vermögen entscheiden kann.
Doch die Hürden für eine Intervention der Justiz in derartigen Fällen sind hoch. Denn schließlich geht man davon aus, dass der Betroffene durch die Erteilung einer Vollmacht eine gesetzliche Betreuung ja gerade vermeiden wollte. Nur in Ausnahmefällen wird ein sogenannter Kontrollbetreuer eingesetzt.
Rechtsexperten finden es aber generell nicht schlecht, wenn sich Familienmitglieder in Betreuungsfragen gegenseitig auf die Finger schauen. Sie sprechen in diesem Fall von einer „natürlichen Kontrolle“. Diese kann vermeiden, dass sich jemand bereichert oder einen Angehörigen in eine unwürdige Lage bringt.
Wie viele Menschen in Deutschland eine Vorsorgevollmacht erteilt haben, weiß niemand genau. Denn wie beim Testament so besteht auch bei dieser Vollmacht keine Pflicht, das Dokument beim Notar abzufassen oder registrieren zu lassen. Laut Bundesnotarkammer sind momentan mehr als 2,4 Millionen Vorsorgevollmachten registriert - Tendenz steigend.
Sabine Sütterlin-Waack setzt sich mit dem Thema nicht nur als Mitglied des Rechtsausschusses des Bundestages auseinander. Als Juristin kennt die CDU-Abgeordnete das Problem auch aus der Praxis. Sie findet das Instrument der Vorsorgevollmacht zwar grundsätzlich gut. Ein Mindestmaß an Kontrolle könne aber in bestimmten Fällen hilfreich sein, sagt sie.
Die Politikerin warnt: „Wer sein ganzes Leben in die Hände eines Vertrauten legt, sollte besser keine Generalvollmacht erteilen“. Besser sei es, möglichst viele Details konkret festzulegen - „das geht von der Einweisung in ein Pflegeheim bis zu der Frage, ob in einem Heim die Fixierung des Patienten ohne ärztliche Zustimmung erfolgen darf“. Außerdem kann jemand, der wegen einer Erkrankung oder aufgrund von Drogensucht nicht selbst entscheiden darf, eine einmal erteilte Vollmacht nicht mehr ohne weiteres widerrufen.
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es zu den geplanten Änderungen: „Wir wollen das Betreuungsrecht in struktureller Hinsicht verbessern.“ Dazu könnte laut Sütterlin-Waack auch eine Aufwertung der sogenannten Berufsbetreuer gehören, für deren Aufgabe es bisher keine einheitliche Ausbildung gibt.
„Eine Vorsorgevollmacht sollte nur erteilen, wer zu dem Bevollmächtigten 100 Prozent Vertrauen hat“, sagt Katrin Lang, die in Hessen für den Betreuungsverein Biedenkopf e.V. arbeitet. Wer sich nicht ganz sicher sei, dass etwa der Ehepartner oder die Kinder immer in seinem Interesse entscheiden, solle besser eine „Betreuungsverfügung“ wählen. Diese kann auch auf einen Angehörigen ausgestellt werden. Allerdings wird der Bevollmächtigte dann zusätzlich vom Gericht kontrolliert. Dadurch kann zum Beispiel sichergestellt werden, dass sich die Familie nicht am Vermögen der hochbetagten Großmutter bedient, für deren Pflege in einem guten Heim dann plötzlich nicht mehr genügend Geld da ist.