Glück mit Hindernissen: Pflegekinder brauchen viel Feingefühl

München (dpa/tmn) - Pflegeeltern brauchen viel Geduld und müssen Frust aushalten können. Denn die aufgenommenen Kinder kommen oft aus schwierigen Verhältnissen. Mit Unterstützung von außen geben Paare dem Pflegekind eine neue Familie - und machen es stark fürs Leben.

Familie gilt vielen als wichtigster Wert überhaupt. Wer im eigenen Leben zufrieden ist, möchte etwas von seinem Glück weitergeben - vielleicht an ein Pflegekind. Die schwierige Aufgabe lässt sich durchaus meistern, wenn man sich von vornherein auf Probleme und Krisen einstellt.

Kommunen, aber auch kirchliche oder private Träger bieten Anlaufstellen für Paare, Familien und Einzelpersonen, die ein Pflegekind aufnehmen möchten. Angehende Pflegeeltern sollten Freude an Kindern haben, geduldig und einfühlsam sein und ausreichend Zeit für ein Miteinander haben. Gesicherte finanzielle Verhältnisse und ausreichend Wohnraum werden ebenfalls vorausgesetzt.

Leicht ist die Aufgabe meist nicht. Elisabeth Helming, Expertin für Familienpflege beim Deutschen Jugendinstitut in München (DJI), erklärt: „Etwa 30 Prozent der Pflegekinder sind verhaltensauffällig. Sie und ihre Betreuungspersonen benötigen professionelle Hilfe.“ Aggressivität, Aufmerksamkeitsstörungen und gestörtes Sozialverhalten können selbst hochmotivierte Pflegeeltern an ihre Grenzen bringen.

Vor der Vermittlung steht ein sogenanntes Eignungsfeststellungsverfahren. Thomas Bärthlein, der beim Rummelsberger Pflegekinderdienst im Auftrag der Stadt Nürnberg Herkunftsfamilien, Pflegeeltern und Kinder betreut, sagt: „Zurecht geben die Jugendämter strenge Auswahlkriterien vor. Wir wählen potenzielle Pflegeeltern sorgfältig aus und entscheiden uns auch einmal gegen Interessenten.“

Altersbeschränkungen werden meist flexibel gehandhabt, so dass auch Großmütter die Pflege ihrer Enkel übernehmen können. In der Regel aber sollen Pflegeeltern mit Blick auf ihr Alter zum Kind passen. Ganz wichtig: Sowohl das Kind wie die angehenden Pflegeeltern dürfen einen Vermittlungsvorschlag ablehnen, wenn die Chemie nicht stimmt.

Interessenten sollten sich klar machen, dass Pflegekinder die eigene Familie emotional stark belasten können. „Deshalb ist es uns wichtig, dass Paare oder Betreuungspersonen offen dafür sind, Unterstützung anzunehmen. Die Pflegefamilien werden im Erziehungsalltag und auch in Krisen durch regelmäßige Gespräche und Supervision begleitet“, sagt Bärthlein.

Irmela Wiemann, Psychotherapeutin und Pflegeelternberaterin, hat mehrere Bücher über Pflege- und Adoptivkinder verfasst. Die Psychologin rät Familien, die Pflegekinder aufnehmen wollen, sich zwei Dinge klarzumachen: „Am wichtigsten ist, ob sie bereit sind, die Herkunftsfamilie zu akzeptieren.“ Nur selten kommt diese Familie aus einer heilen Welt.

Der zweite zentrale Aspekt, den angehende Pflegeeltern berücksichtigen sollten, ist laut Wiemann, dass Pflegekinder oft seelisch verletzt sind. Dies kann den Alltag erschweren. „Die Kinder haben Verunsicherung und Beziehungsabbrüche erlebt, tolerieren Nähe oft nur schwer.“

Pflegeeltern dürfen und sollen mit der Situation offen umgehen. Fingerspitzengefühl ist allerdings gefragt, damit das Pflegekind sich bei neugierigen Nachfragen etwa von Nachbarn, aber auch wenn es sich einmal danebenbenimmt, zugehörig empfinden kann.

Allen Problemen zum Trotz leisten Pflegefamilien viel. Experten sind sich einig, dass Pflegekinder einen großen Vorteil gegenüber Heimkindern haben — sie sind trotz schlechter Erfahrungen bindungsfähiger. Und das gilt als einer der wichtigsten Faktoren für ein gelingendes Leben.