Hilfe gegen Einsamkeit: Wie Senioren Kontakte knüpfen können
Essen (dpa/tmn) - Wieder liegt eine Todesanzeige eines Freundes im Briefkasten: Im Alter wird der Kreis der Bekannten immer kleiner. Für neue Kontakte gibt es kein Patentrezept. Aber mit etwas Initiative lassen sich Freunde finden, manchmal mit Hilfe von Einrichtungen.
Fünf bis zwanzig Prozent der Senioren in Deutschland berichten von ausgeprägten Einsamkeitsgefühlen - die Zahlen differieren je nach Studie. Entscheidend ist dabei nicht, ob die Senioren alleine leben: Wer über ein intaktes Netz von Sozialkontakten verfügt, empfindet das Alleinsein nicht als Belastung, ergab eine Untersuchung der TU München.
Doch was tun, wenn dieses Netz reißt, wenn wichtige Bezugspersonen verloren gehen? „Das ist ein ganz großer Einschnitt“, sagt Claudia Hartmann, Leiterin des Senioren- und Generationenreferats des Diakoniewerks Essen. Das Gefühl der Einsamkeit sei ganz normal - und es sollte von Angehörigen nicht kleingeredet werden. „Die Aufforderung "Jetzt geh' doch mal wieder unter Leute" ist wenig hilfreich“, sagt Hartmann.
Sinnvoller sei es, die Betroffenen zu fragen: „Wie bist du denn früher mit dem Alleinsein umgegangen?“ Denn Einsamkeitsgefühle sind kein Phänomen des Alters, sie können in jeder Lebensphase auftreten. „Allerdings wird es in höherem Alter schwieriger, neue intensive Kontakte zu knüpfen“, sagt Claudia Hartmann. Und nicht jeder schätzt die unverbindliche Geselligkeit eines Seniorentreffs: „Das ist wie mit dem Seniorenteller: Das Senioren-Etikett schreckt viele ältere Menschen ab“, sagt Prof. Michael Hüll, Ärztlicher Leiter des Zentrums für Geriatrie und Gerontologie am Universitätsklinikum Freiburg.
Der Psychiater und Psychotherapeut forscht unter anderem zum Thema Altersdepression und gibt Entwarnung: Auch wenn sich bei vielen Menschen die Zahl der sozialen Kontakte im Alter reduziert, tragen sie trotzdem kein größeres Risiko für Depressionen.
Ein wichtiger Aspekt, um Einsamkeit vorzubeugen, sind soziale Kontakte - und zwar durchaus mit neuen Kommunikationsmethoden: „Sehr viele Senioren haben mittlerweile einen Internetanschluss, die Programme werden immer benutzerfreundlicher: Warum sollte man also nicht auch soziale Netzwerke und Videochats nutzen?“, sagt Hüll.
„Es müssen gar nicht immer gleich die großen Aktivitäten sein“, sagt Hartmann: „Man kann auch einfach der Nachbarin, die einem schon so lange sympathisch ist, einen gemeinsamen Spaziergang vorschlagen.“
Schwieriger ist der Weg aus der Einsamkeit, wenn der Körper nicht mehr mitspielt und das Verlassen der eigenen Wohnung immer mühsamer wird. Hier setzen Besuchsdienste an, die von vielen Wohlfahrtsverbänden angeboten werden. Bei der Aktion „NAHbarn“ in Jena beispielsweise besuchen Ehrenamtliche einmal in der Woche ältere Menschen in deren Wohnung.
Im Extremfall kann Einsamkeit, verbunden mit Gebrechlichkeit, auch dazu führen, dass alte Menschen nicht mehr ausreichend versorgt sind. In Hamburg versucht die „ Aktion Augen auf! Mehr Aufmerksamkeit für ein Altern in Würde“ der AWO Stiftung mit Stadtviertelnetzwerken gegenzusteuern.
In bisher vier Stadtteilen der Hansestadt nehmen die Koordinatorinnen über eine kostenlose Telefonhotline Hinweise aus der Bevölkerung, von Ärzten oder Apothekern entgegen, stellen Kontakt zu hilfsbedürftigen Senioren her und organisieren eine kostenlose Unterstützung in der Wohnung. „Was früher die Großfamilie oder die Dorfgemeinschaft an Unterstützung für alte Menschen geleistet hat“, erläutert Kerstin Hoffmann von der AWO Stiftung, „das versuchen wir nun durch Nachbarschaftsnetzwerke zu ersetzen.“