Erben über Grenzen hinweg - Welches Recht gilt wann?
Hamburg (dpa/tmn) - Der eine hat ein Ferienhaus am Mittelmeer, der andere verbringt den Ruhestand in der Schweiz. Der dritte lebt zwar lange in Deutschland, hat aber den Pass des Heimatlandes behalten.
Das Leben wird globaler. Und damit auch erben und vererben.
Schätzungen zufolge haben inzwischen zehn Prozent der Erbfälle in Deutschland einen internationalen Bezug. Sei es wegen einer Immobilie oder einem Bankkonto im Ausland, sei es, weil der Ehepartner aus einem anderen Land kommt oder das Paar jenseits der deutschen Grenze geheiratet hat. Beim Thema Erben und Vererben birgt die Internationalität Tücken - jedes Land hat seine eigenen Vorschriften. „Das ist historisch gewachsen“, begründet Anatol Dutta vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg das Durcheinander.
Das beginnt bereits beim Testament. Während in Deutschland der handgeschriebene Letzte Wille erlaubt und gültig ist, unterliegt er in Spanien strengen Formalitäten. Außerdem akzeptiert Spanien ebenso wenig wie Frankreich und Italien ein gemeinschaftliches Ehegatten-Testament, wie es hierzulande üblich ist. Deshalb empfiehlt der Münchner Erbrechtsanwalt Ludger Bornewasser binationalen Paaren, Einzeltestamente abzufassen.
In Deutschland kommt es bei der Gültigkeit des Testaments und beim Verteilen des Vermögens grundsätzlich auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. „Für Türken, die hier leben, gilt zum Beispiel türkisches Erbrecht“, erläutert Bornewasser die Leitlinie. Italien, Österreich und Spanien halten sich ebenfalls an die Staatsangehörigkeit.
Die Schweiz, Großbritannien, Dänemark und Norwegen knüpfen an den letzten Wohnsitz des Gestorbenen an. In der Praxis steht damit häufig Staatsangehörigkeits- contra Wohnsitzprinzip. Dann wird es knifflig. Stirbt zum Beispiel ein in der Schweiz wohnender Deutscher, gilt zwar Schweizer Erbrecht. Die Verwandtschaft in Deutschland kann aber klagen, wenn sie sich beim Pflichtteil benachteiligt sieht. Der Gerichtsort ist nach dem Motto „Wo bekomme ich mehr?“ grenzüberschreitend wählbar.
Deutsche Gerichte greifen wegen des Staatsangehörigkeitsprinzips auf das Heimatrecht des Erblassers zurück. Ausnahmen gibt es für Länder mit muslimisch geprägter Gesetzgebung. Grund sind „das Erbhindernis Religionsverschiedenheit und die Benachteiligung der Frau“, erläutert Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht in München. Das eine bedeute, ein Christ dürfe einen Moslem nicht beerben. Das andere ziele auf die Faustregel „Eine Tochter bekommt halb so viel wie der Sohn“. Weil sie diskriminierend seien, dürften deutsche Richter die Grundsätze nicht anwenden, so Steiner.
2012 sprach das Oberlandesgericht München - mit Hinweis unter anderem auf den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz - der deutschen Ehefrau eines iranischen Geschäftsmanns ein höheres Erbe zu (Az.: 31 Wx 45/12). Westlichen Frauen, die mit ihrem muslimischen Partner in dessen Kulturkreis leben, rät Steiner zur „Morgengabe“ als Ausgleich für die Erbbenachteiligung. Ein Testament könne den Nachteil nicht aufheben. Deutsche Großeltern können muslimischen Enkeln problemlos etwas vererben, in dem Fall gilt deutsches Recht.