Messe „Kind+Jugend“: Vom Origami-Buggy zu Metallica-Hits
Köln (dpa) - Der Origami-Buggy funktioniert voll automatisch: Schon mit einem einzigen Knopfdruck lässt er sich aufklappen oder wieder zusammenfalten. In einem beweglichen Autositz wird Baby wellnessmäßig geschaukelt und beruhigt - Sensoren und eine Bluetooth-Steuerung via Smartphone machen es möglich.
Beispiele für Neuheiten, die die 1140 Anbieter aus 50 Ländern zur „Kind+Jugend“, der weltgrößten Messe für Kinderausstattung (Publikumstage: 10. bis 13. September), präsentieren. Ein Hersteller hat Hits von Rammstein und Metallica als Schlummer-Version für Kleinkind-Ohren im Gepäck.
Zu Beginn der internationalen Branchenschau in Köln wird deutlich: Ob Kinderwagen, Spielwaren, Möbel oder Babytextilien - für den Nachwuchs soll es vor allem sicher zugehen und für die Eltern bequem. So ist ein Sicherheitsgitter mit LED-Leuchte und Sensor ausgestattet, beleuchtet den Boden im Dunkeln und soll vor Sturz und Stolpern schützen. Damit Knirpse keinen Sonnenbrand bekommen, verändert eine patentierte Schutzbekleidung bei gefährlicher UV-Bestrahlung die Farbe, ein Alarmzeichen für die Eltern.
Als Weltneuheit wird ein Drei-In-Eins-Gerät von Babystars — rock2sleep gezeigt, das Babyphone, Spieluhr und MP3-Player vereint - komfortabel mittels Gratis-App vom Smartphone aus bedienbar. Dazu gibt es bekannte Rock- und Popstücke von Rihanna bis Rammstein als Spieluhrmelodien, „für Baby-Ohren neu arrangiert“, bis zu 500 Titel speicherbar, wie Unternehmenssprecher Sven Martin sagt.
In Deutschland hat ein kleiner Babyboom 2014 das Herz der Branche höher schlagen lassen - mit knapp 715 000 Neugeborenen, so viel wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Die Ausgaben für Baby- und Kleinkinderausstattung stiegen auf 2,2 Milliarden Euro, der Umsatz mit Möbeln für den Nachwuchs auf 3,9 Milliarden Euro. Die Textilindustrie ist trotz eines leichten Minus bei Kinderkleidung bis 14 Jahre - auf 2,7 Milliarden Euro - zuversichtlich.
Dass viele Eltern die Spendierhosen anhaben, wenn es um ihre Sprößlinge geht, hat mehrere Gründe. „Der Altersdurchschnitt der Eltern ist gestiegen und damit auch das Einkommensniveau dieser Eltern, die damit vergleichsweise mehr Geld ausgeben können als frühere Generationen“, erklärt Kai-Uwe Hellmann, Experte für sozialwissenschaftliche Marktforschung. Bei älteren Vätern und Müttern sei das „Projekt“ Kinder oft mit „hochgestochenen Erwartungen“ verbunden, dann werde auch aufwendig investiert.
Großeltern verfahren Hellmann zufolge ebenfalls gern nach dem Motto „Nur das Beste ist für die Kleinen gut genug“ und neigen zu hochwertigem Konsum und zu Markenware. Aber braucht der kleine Mensch wirklich Öko-Baby-Lernspielzeug oder Kinderwagen mit unzähligen Extras? Es wird auch vieles verkauft, was unnötig ist, bestätigt Hellmann. Mit Blick auf manche Besserverdiener spricht er von einer „dezidiert kostspieligen Kauf- und Verbrauchspolitik.“ Und: „Es ist purer Luxus, der sich in diesen Kreisen abspielt, fast hemmungs- und gewissenlos.“ Dazu passt der rund 55 000 Euro teure Kinderwagen mit 18-Karat-Gold-Teilen - eine Stunde nach Messestart immerhin schon einmal verkauft.