Mutter-Kind-Kur: Antrag wird oft abgelehnt

Mainz (dpa) - Die Alleinerziehende ist erschöpft. Laut Müttergenesungswerk ist die Berufstätige in psychologischer Behandlung, sie hat auch körperliche Probleme. Doch die Krankenkasse lehnte ihren Antrag auf eine Kur mit Kind ab.

Damit ist die 40-Jährige nicht allein.

2009 wurde laut dem Müttergenesungswerk nahezu jeder dritte Antrag auf Mutter-Kind-Kuren in Einrichtungen der Organisation negativ beschieden, beim Vergleich der ersten Halbjahre 2009 und 2010 stieg der Anteil von 29 auf 32 Prozent. Nach Darstellung des Müttergenesungswerks werden die Anträge vielfach ungerechtfertigt abgelehnt.

„Es wird auf Kosten der Mütter gespart“, sagt Vize-Geschäftsführerin Petra Gerstkamp - und weist darauf hin, dass die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen für diesen Zweck beim Vergleich der Halbjahre 2009/10 um 11,16 Prozent auf 133,08 Millionen Euro sanken. Ausgewählte Kassen weisen dagegen den Vorwurf ungerechtfertigter Ablehnungen zurück.

43 000 Frauen und 64 000 Kinder machten 2009 eine Kur in den 84 vom Müttergenesungswerk anerkannten Einrichtungen. Was ist das Hauptproblem der Frauen? „Ganz oft ist es das, was ich als Burnout bezeichnen würde“, sagt Gerstkamp. Es gehe um Erschöpfungszustände, zu denen psychosomatische Erkrankungen kämen. „Das Problem bei vielen Frauen ist: Die haben nicht eine Krankheit, die haben viele Krankheiten“, sagt sie. Wenn eine Kur abgelehnt werde, sei zwar Widerspruch möglich, viele scheuten aber den Aufwand, „weil sie es nicht können, weil sie körperlich am Ende sind“.

Die Kuren, die laut Gerstkamp in der Regel drei Wochen dauern, müssen vom medizinischen Dienst der Krankenkassen genehmigt werden. Laut Barmer GEK bieten die Mutter/Vater-Kind-Einrichtungen dann ein umfassendes medizinisches und therapeutisches Behandlungsangebot an. Die IKK Südwest nennt zudem Angebote, die das Verhältnis von Eltern und Kind verbessern sollen, dazu Sport- und Bewegungsangebote sowie eine Erziehungs- und Ernährungsberatung.

„Wir können uns den Schuh nicht anziehen“, sagt der Sprecher der Techniker Krankenkasse (TK) in Rheinland-Pfalz, Holger Dieter, zum Vorwurf ungerechtfertigter Ablehnungen. „Wir haben seit Jahren keine Beschwerden, die Bewilligungsquoten sind sehr hoch.“ Auf Widerspruch stößt der Vorwurf auch bei der IKK Südwest und bei der Barmer GEK. In der Vergangenheit habe das Müttergenesungswerk auch Fälle als „abgelehnt“ gewertet, die von den Kassen an Einrichtungen privater Träger gegeben worden seien, sagt IKK-Südwest-Sprecherin Kristin Dörr. „Aus unserer Sicht dürfte man diese Fälle nicht als "abgelehnt" einstufen.“

TK-Zahlen für einzelne Bundesländer hat Dieter nicht, aber 2010 seien bis November bundesweit 15 595 Anträge bei der Kasse eingereicht worden, im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es über 1000 mehr (16 617). Der Grund für die Differenz sei unklar. Gestiegen ist vorläufigen Zahlen zufolge der Anteil der Genehmigungen - von 70,2 Prozent auf 73,3 Prozent. Es sei aber noch nicht über alle Anträge der Monate Oktober und November 2010 entschieden.

Abgelehnt wird ein Antrag an die TK nach Dieters Angaben, wenn die Diagnostik noch nicht abgeschlossen oder statt einer Kur eher ein Erholungsurlaub angesagt ist. Denn die Kur sei eine medizinische Maßnahme. Nicht angeraten sei sie bei schweren Diagnosen wie einem Bandscheibenvorfall. „Darauf sind die Kurheime nicht eingerichtet.“

Die Barmer GEK lehne Anträge nur ab, wenn sie medizinisch nicht begründet seien oder die Kasse nicht zuständig sei, sagt Sprecher Thorsten Jakob. Zu den häufigsten Ablehnungsgründen gehöre, dass die normalerweise geltende Vier-Jahres-Wartefrist zwischen zwei Kuren nicht eingehalten werde. Außerdem müssten wirtschaftlichere und zweckmäßigere Maßnahmen - etwa eine ambulante Versorgung - vorrangig genutzt werden, wenn das Ziel auch damit erreicht werden könne. Nach Jakobs Angaben bewilligte die Kasse 2010 bis 5. Dezember bundesweit rund 8600 Mutter- oder Vater-Kind-Maßnahmen. Das seien mehr als 62 Prozent der Anträge, was in etwa der Vorjahresquote entspreche.

Auch Väter benötigten zunehmend Kuren. „Ich hatte im letzten Jahr mehrere alleinerziehende Männer hier, die eine Vater-Kind-Kur machen wollten“, sagt Wilma Pallien von der Kur-Beratungsstelle der Caritas in Trier. In Deutschland gebe es inzwischen Einrichtungen, die solche Kuren auch nur für Männer anbieten. Die Beratungsstellen unterstützen die Patienten bei der Suche nach dem passenden Haus. Oder, wenn die Kur von der Krankenkasse abgelehnt wird.

„Gerade die Prophylaxe ist bei Eltern und Kindern von großer Bedeutung, damit sich schwere Krankheitsbilder gar nicht erst ausbilden“, sagt die Ärztliche Direktorin der Helios Klinik Diez im Rhein-Lahn-Kreis, Timisoara Gianina Wittwar. Von psychischer Überlastung bis hin zum Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS), Adipositas (Fettleibigkeit) oder Asthma reiche die Spannweite der Problem- und Krankheitsbilder, die schon im Frühstadium behandelt werden können, hieß es bei der auf diesen Bereich spezialisierten Fachklinik.

Seit der Gesundheitsreform von 2007 gebe es bei den Krankenkassen einen verbindlichen Anspruch auf Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen für Eltern und ihre Kinder. Der Bedarf an solchen Angeboten wachse: Beruflicher Stress, falsche Ernährung oder Probleme bei der Erziehung - „die Palette der Belastungen für junge Familien ist breit gefächert und hat häufig schwere gesundheitliche Folgen“, sagte ein Kliniksprecher. „Prinzipiell spiegelt sich der neue gesetzliche Anspruch aber leider nicht in den Zahlen wieder. Wir haben eher weniger genehmigte Mutter-Kind-Kuren, als mehr.“