OECD: Trotz Familienförderung zu wenig Geburten
Berlin (dpa) - Elterngeld, Krippenausbau und Steuererleichterung für Familien: Die Familienförderung in Deutschland hat immer noch nicht zu dem gewünschten deutlichen Geburtenanstieg geführt. Dies geht aus dem neuen OECD-Familienbericht hervor.
Mit einer Geburtenrate von 1,36 Kindern pro Frau liegt Deutschland um einiges unter dem OECD-Schnitt von 1,74. Seit 1983 war die Geburtenrate in der Bundesrepublik nicht höher als 1,5. Dabei gibt Deutschland im Vergleich mit anderen Industrienationen nicht wenig Geld für seine Familien aus, heißt es in dem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Mittwoch (27. April) im Internet veröffentlichen Familienreport. Dieser beleuchtet die Förderung und Lebenssituation von Eltern in den 33 wichtigsten Industrienationen. Zur Unterstützung der Eltern sowie für Betreuung und Bildung eines Kindes bis zum 18. Lebensjahr investiert der Staat hierzulande 146 000 Euro. Im OECD-Schnitt sind dies nur 124 000 Euro.
Als einen Grund für die niedrige deutsche Geburtenrate führt der Bericht an, dass die Frauen in der Bundesrepublik mit der ersten Schwangerschaft immer länger warten. Im Schnitt bekommen sie ihr erstes Baby mit 30. Mehr als 40 Prozent der deutschen Frauen zwischen 25 und 49 leben in einem kinderlosen Haushalt (OECD-Schnitt: 34 Prozent.
„Je höher die akademische Bildung einer Frau desto wahrscheinlicher ist es, dass sie ihren Kinderwunsch aufschiebt“, führen die OECD-Familienforscher an. „Denn Kinder gehen in Deutschland häufig zu Lasten der Karriere und der finanziellen Ausstattung einer Frau.“ Wegen des „Karriereknicks“ in der Erziehungsphase erzielen Frauen mit Kindern weniger als die Hälfte des Lebenseinkommens einer kinderlosen Frau. Verglichen wurden ähnliche Berufsgruppen. Auch die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau sind in Deutschland besonders ausgeprägt. Sie betragen im Schnitt 25 Prozent (OECD: 16 Prozent),
Dagegen demonstrierten die skandinavischen Länder durch „eine stärkere private und berufliche Gleichheit der Geschlechter“, dass eine gute Ausbildung und eine hohe Beschäftigungsquote der Frauen nicht automatisch zu einer niedrigen Geburtenrate führen muss, heißt es in dem Bericht.
Im Staatenvergleich der finanziellen Aufwendungen für Familien belegt Deutschland mit knapp 2,8 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP/2007)) den 12. Platz von 33. Am meisten investieren Frankreich, Dänemark und Großbritannien in ihre Familien - mit einem BIP-Anteil von jeweils über 3,5 Prozent. In Korea fließen rund 0,5 Prozent, in den USA sind es 1,2 Prozent.
Die hohe Förderung hilft laut Bericht, in Deutschland die Kinderarmutsrate mit 8,3 Prozent relativ niedrig zu halten (OECD-Schnitt: 12,7 Prozent). Mit 3,7 Prozent ist sie in Dänemark am niedrigsten. Laut dem jüngsten Bildungsbericht von Bund und Ländern sind in Deutschland 3,4 Millionen Kinder von Armut bedroht.
Anders als andere Staaten setzt Deutschland bei der Familienförderung sehr stark auf sein Steuersystem. Ein Drittel aller Leistungen fließen hierzulande über Steuererleichterungen an die Eltern, Im OECD-Schnitt sind dies nur zehn Prozent. Andere Staaten investieren mehr in die Strukturen wie Kinderbetreuung und Ganztagsschulen. Deutschland ist laut Bericht auch der einzige Industriestaat, der über das Ehegattensplitting bei der Steuer Alleinverdiener-Familien bevorzugt.
Trotz ihres Ausbaus habe die Betreuung der Kinder in Deutschland immer noch Mängel, heißt es weiter. So seien die Öffnungszeiten der Kindergärten oft nur kurz. Der Anteil der Kinder, die die Angebote nutzten, sei im Vergleich mit anderen Industrienationen eher niedrig. Ähnliches gilt auch für die Nachmittags-Betreuung der Grundschüler. Sie wird in Deutschland laut Familienbericht bisher nur von zehn Prozent der Kinder in Anspruch genommen.