Patientenschützer: Handeln, wenn sich Senioren gehen lassen

Aachen (dpa) - Die Wohnung nicht mehr aufgeräumt, die Haare nicht gekämmt, die Kleidung unordentlich - wenn sich ältere Menschen gehen lassen, ist das ein schleichender Prozess. Aber spätestens wenn sich das auf die körperliche Gesundheit auswirkt, sollte die Familie eingreifen, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Patientenschützer: Handeln, wenn sich Senioren gehen lassen
Foto: dpa

Wie lässt sich die Vernachlässigung erkennen? Was sind erste Zeichen?

Eugen Brysch: Zuerst ist es die Mama, die den ganzen Haushalt bewältigt, wo der Vater gestorben ist und die Mutter allein wohnt. Dann merkt man bei seinen Besuchen, da verändert sich etwas. Was früher aufgeräumt war, ist nicht mehr aufgeräumt. Vorher hat sie auf sich geachtet, jetzt sind die Haare nicht mehr gekämmt, die dritten Zähne sind nicht mehr im Mund, die Lebensmittel im Kühlschrank seit Wochen abgelaufen.

Kann man so etwas übersehen?

Brysch: Es gibt keine Norm für Empathie, für Einfühlungsvermögen, für Wahrnehmung. Aber um diese Zeichen zu übersehen, da muss man schon ein dickes Fell haben. Das sieht man nicht nur, das rieche ich auch, wenn ich in einen Raum komme. Wenn ich mich auf meine Sinne verlasse, kann ich das nicht übersehen. Da ist eine Schwelle, wo ich mich anbieten muss - aber nicht nur die Familie, sondern auch Freunde und Nachbarn.

Wann sollte man spätestens eingreifen?

Brysch: Das ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Aber bei körperlichen Veränderungen muss Hilfe kommen. Ich habe da Bilder von Menschen mit Diabetes vor Augen, die mich nicht loslassen. Schwarze, abgestorbene Körperstellen. Da hätte man bei den ersten Anzeichen eingreifen müssen.

Muss man in einer älter werdenden Gesellschaft Angebote machen, um solche Entwicklungen frühzeitig zu verhindern?

Brysch: Wir greifen immer nur ein, wenn die Katastrophe da ist. Wir müssen darüber nachdenken, ob nicht Seniorenämter sinnvoll sind, wo wir sagen: „Guckt doch mal, was da los ist. Guckt doch mal, ob ihr Angebote macht.“ Da geht es nicht um Kontrolle, sondern darum, im Vorfeld die Dinge aufzufangen. Das hat sich in der Jugendarbeit bewährt. Es geht nicht um bevormunden, sondern um stützen.