Psychologin: Kinder verstehen Gewalt nicht
Wiesbaden (dpa) - Ohrfeigen oder ein Klaps auf den Po sind in Deutschland immer noch weit verbreitete Erziehungsmaßnahmen - auch wenn sie längst verboten sind. Für Kinder könnten sie schlimme Auswirkungen nach sich ziehen, erklärt die Psychologin Anette Böttcher aus Wiesbaden.
Welche Folgen kann Gewalt für Kinder und Jugendliche haben?
Böttcher: „Gewalt ist immer schlimm, weil es mit körperlichen Schmerzen verbunden ist. Das ist auch für Erwachsene nicht schön, aber Kinder können nicht verstehen, warum man ihnen Schmerzen zufügt. Sie sind kognitiv - also vom Kopf her - gar nicht so weit, das nachzuvollziehen. Schläge entstehen ja häufig auch sehr impulsiv, so dass selbst die Eltern nachher oft nicht wissen, warum. Die Schläge haben gesundheitliche und seelische Folgen. Meistens wird auch das Selbstwertgefühl der Kinder sehr geschädigt. Sie fühlen sich nicht geliebt und können das Gefühl der Geborgenheit verlieren.
Kinder lernen durch diese Erfahrungen, dass Schläge okay sind und geben dieses Muster dann als Erwachsene an ihre Kinder oder an andere weiter. Das wirkt sich später auf ihr Privatleben aus. Jemand, der mit Schlägen aufwächst, kann meist keine normale Beziehung zu anderen aufbauen. Sie versuchen dann wahrscheinlich auch den Partner runterzusetzen, um sich selber wieder groß, stark und mächtig zu fühlen.“
Hat auch ein kleiner Klaps auf den Po langfristige Auswirkungen?
Böttcher: „Man sollte generell keinen Klaps geben und auch nicht auf die Finger hauen. Alles, was den Kindern wehtut, sollte man unterlassen. Das Gedächtnis fängt zwar erst später an, doch irgendwo im Unterbewusstsein bleibt das stecken. Zudem ist jede körperliche Gewalt gegen Kinder mit einer großen Enttäuschung verbunden. Sie beziehen das erst einmal auf sich: "Ich habe etwas gemacht, das nicht in Ordnung ist." Sie fühlen sich als Versager.
Es ist für Kinder auch eine große Demütigung, gerade wenn sie eine Ohrfeige ins Gesicht kriegen. Gewalt fängt aber auch schon verbal an, mit ewigen Schimpfwörtern, die sie zu hören bekommen wie 'Du Taugenichts" oder "Du bist nichts wert'. Auch verbale Gewalt ist für Kinder sehr schlimm. Wenn jemand etwas Verletzendes sagt, kann sich das wie ein Peitschenhieb anfühlen.“
Welche alternativen Wege sollte Eltern also gehen?
Böttcher: „Ganz wichtig: Immer mit den Kinder reden, reden, reden. Kinder verstehen das mit Worten besser, auch wenn sie kleiner sind, als mit Taten. Man sollte den Kindern immer eine Erklärung abgeben. Bestrafen im psychologischen Sinne bedeutet nicht, Schmerzen zuzufügen. Natürlich muss man Kindern auch Grenzen setzen. Man kann ihnen auch mal eine Belohnung wegnehmen. Dann dürfen sie abends mal nicht in ihrem Lieblingsbuch lesen oder müssen mal früher ins Bett. Wichtig ist es, mit den Kindern zu reden und ihnen Konsequenzen aufzuzeigen.“