Sportstunde in Swasiland: Lernen an einem United World College
Frankfurt/Main (dpa/tmn)- Multikulti im Klassenzimmer: An einem United World College lernen Schüler aus allen Ländern. Gleichzeitig helfen sie in Waisenhäusern oder Flüchtlingslagern mit. So sollen sie erfahren, dass Toleranz und Respekt mehr sind als nur Schlagworte.
Waisenkindern helfen, Schulkinder über AIDS aufklären, mit fremden Kulturen in Kontakt kommen: Das alles erlebt Julian Storch gerade. Der 18-Jährige hat seine Klasse in Deutschland gegen eine Schule im Ausland getauscht. Doch statt ein Jahr auf eine High School in den USA oder ein Lycée in Frankreich zu gehen, entschied sich Julian für ein United World College (UWC). Bei diesen internationalen Schulen in verschiedenen Ländern der Welt kommen Jugendliche aus allen Kulturen und sozialen Schichten zusammen.
Ursprünglich hatte Julian von einem Auslandsjahr in den USA geträumt. Dann aber erfuhr er von den United World Colleges. „Ich war sofort total begeistert von der Idee, auf eine Schule zu gehen, an der Jugendliche aus aller Welt zusammen leben, lernen und unterschiedliche Ansichten teilen.“ Er bewarb sich beim UWC Deutschland in Frankfurt am Main, und nach dem Auswahlverfahren stand fest: Julian geht auf das Waterford Kamhlaba United World College of Southern Africa in Swasiland. Dort lebt er mit rund 600 Schülern aus mehr als 50 Nationen.
Wie Julian entscheiden sich jedes Jahr zahlreiche Mädchen und Jungen für ein UWC. Die Idee dazu stammt von dem Deutschen Kurt Hahn, erklärt Hanne Soulis, Leiterin der deutschen UWC-Stiftung in Frankfurt. „1962, zur Zeit des Kalten Krieges, gründete der nach Großbritannien emigrierte Pädagoge zusammen mit dem englischen Luftmarschall Sir Laurence Darvall das erste College in Wales.“ Mittlerweile gibt es dreizehn dieser internationalen Schulen, darunter in Norwegen, Kanada, China, Indien, Bosnien und den USA.
„Bei uns können sich alle Jugendliche bewerben, die in der zehnten Klasse und bei Collegebeginn 16 oder 17 Jahre alt sind“, erklärt Soulis. Gute Noten sind kein Muss. „Wir suchen engagierte junge Leute, die Potenzial haben.“ Das gilt explizit auch für Mädchen und Jungen, deren Familien nicht viel Geld haben. Immerhin kostet ein Collegeplatz durchschnittlich 40 000 Euro für die zweijährige Schulzeit. „Bei Bedarf kann aber ein Teil- oder auch Vollstipendium beantragt werden.“
Das Bewerbungsprozedere läuft wie folgt ab: Die Unterlagen können unter UWC-Webseite heruntergeladen werden. Wer zum nächsten Schuljahr im Herbst 2013 ins Ausland gehen will, muss sich bis zum 15. Dezember 2012 bewerben. 70 Teilnehmer werden im Februar zu einer Hauptauswahl nach Frankfurt eingeladen, danach bekommen 20 bis 25 Jugendliche eine Zusage.
In einem UC zu leben, ist allerdings nicht für jeden das Richtige. „Man muss Lust haben, Neues kennenzulernen und offen für andere Kulturen und Gewohnheiten sein“, sagt Holger Simonszent, Jugendpsychologe in München. „Dann kann so ein College-Aufenthalt eine sehr tolle Erfahrung sein, die einen in der Persönlichkeitsentwicklung weit nach vorn bringt.“
Wer sich damit überfordert fühlt oder nur auf Druck der Eltern geht, sollte es besser lassen. Am besten sei es, mit kleinen Dingen zu testen, wie es wäre, zwei Jahre weg von zu Hause zu sein: „Gut wäre, ein paar Wochen ohne die Familie im Ausland zu verbringen.“ Zum Beispiel bei einem Schüleraustausch oder Sprachurlaub in einer Gastfamilie. So könnten Jugendliche überprüfen: Kann ich auf fremde Leute zugehen? Wie ist das mit Heimweh?
Mit all dem lernt man natürlich auch an einem UWC umzugehen. „Selbst wenn man es mir nicht sofort anmerkt, habe ich mich in diesen Monaten wahrscheinlich sehr verändert“, sagt Julian. „Ich bin selbstbewusster geworden.“ Anfangs war sein Englisch noch sehr lückenhaft und er kannte niemanden. „Doch nun kann ich besser auf andere zugehen.“