Streitfrage Kinderwunsch: Verzicht belastet die Beziehung schwer
Vechta (dpa/tmn) - Ein bisschen schwanger geht nicht: Bei der Entscheidung für oder gegen Kinder gibt es keine Kompromisse. Doch sind sich Partner über ihren Kinderwunsch nicht einig, zerbricht daran häufig die Beziehung.
An manchen Tagen macht Gabriele Koch ihr Beruf mehr Spaß, an anderen weniger. Heute musste sie gleich drei Frauen beraten, die alle von ihrem Partner verlassen wurden, weil sie sich für ein Kind entschieden.
Regelmäßig begleitet die Schwangerschaftsberaterin der Caritas Halle Frauen bei schwierigen Entscheidungen. Kann ein Paar den Kinderwunsch nicht gemeinsam klären, bedeutet das häufig das Ende der Beziehung. Gibt es eine Einigung, die einem der Partner den Verzicht auf Kinder abverlangt, wird es ebenfalls schwierig. „Wenn einer dem anderen zuliebe auf seinen Kinderwunsch verzichtet, ist das eine schwere Hypothek für eine Partnerschaft“, erklärt Paartherapeutin Bettina Jellouschek-Otto aus Ammerbuch.
Idealerweise spricht ein Paar vor einer Schwangerschaft über seine Vorstellungen. Meist kommt es frühestens nach einem Jahr zur Kinderplanung. „Es kommt aber weniger auf die Dauer als auf die Intensität der Beziehung an“, sagt Peter Kaiser, Prof. für Psychologie und Psychotherapeut an der Universität Vechta. Im Durchschnitt bekommen Frauen ihr erstes Kind mit 31 Jahren. Oft wird der Kinderwunsch zum Streitthema. „Häufig gibt es Paare, bei denen einer sehr gern ein Kind will und der andere zögert oder ist entschieden dagegen“, sagt Jellouschek-Otto. Meist sind es die Männer, die zaudern.
Gründe gegen ein Kind sind der Verlust der Unabhängigkeit und die Angst vor Verantwortung, Verschlechterung der Beziehung oder der finanziellen Situation. „Auch unterschiedliche Einschätzungen der Partnerschaft, der beruflichen Entwicklung oder ungünstige Erfahrungen mit der eigenen Familie können vom Kinderwunsch abhalten“, sagt Kaiser.
Um zu einer Lösung zu kommen, muss das Paar Klartext sprechen. „Und nicht nur ein Mal, sondern mehrmals“, empfiehlt die Paartherapeutin. Kommt das Paar nicht weiter, kann es einen Zeitrahmen der Unentschiedenheit vereinbaren. „Lass uns in einem halben Jahr wieder darüber sprechen. In der Zwischenzeit macht sich jeder Gedanken zu einer Perspektive mit und ohne Kind“: So könnte die Absprache lauten, empfiehlt die Therapeutin.
Für eine Entscheidung ist eine realistische Einschätzung der Situation wichtig. „Es kann helfen, mit Paaren zu sprechen, die Kinder haben“, rät Jellouschek-Otto. Sie können schildern, was am Alltag mit Kindern bereichernd, aber auch was belastend ist.
Ist eine Entscheidung gefallen, und der zögerliche Partner ringt sich zu einem Ja durch, sollte der andere nicht daran zweifeln. Sonst grenze man den Partner womöglich von Anfang an aus der Eltern-Kind-Beziehung aus. Andersherum ist auch bei einer Entscheidung gegen Kinder wichtig, dass beide dafür die Verantwortung übernehmen. „Wird der Verzicht allein dem aufgeladen, der sich zuerst gegen Kinder ausgesprochen hat, kann das zur Munition für jeden Streit werden, auch wenn es um andere Themen geht“, sagt die Paartherapeutin.