Taschengeld und Co.: Kinder brauchen Mitspracherechte

Bielefeld (dpa/tmn) - Ich will ein Eis! Ich will die Schuhe nicht anziehen! Ich will keinen Spinat essen! Klar, Kinder im Familienalltag mitentscheiden zu lassen, kann manchmal anstrengend sein. Geben die Eltern aber alles vor, sind oft erst recht Konflikte programmiert.

Egal, ob es um Familienausflüge, Essen oder die eigenen Klamotten geht: Kinder bestimmen heute oft mit, was gemacht oder gekauft wird. Und das ist gut so, findet der Erziehungswissenschaftler Prof. Holger Ziegler: „Kinder mitreden zu lassen und gemeinsame Absprachen zu treffen, macht eine gute Erziehung aus.“ Denn je stärker Mädchen und Jungen das Gefühl haben, dass ihre Meinung gilt und Eltern sie anhören, umso selbstbewusster und selbstständiger werden sie.

Erwachsene sollten ihren Kindern aber nicht nur bei Konsumentscheidungen, sondern auch im Alltag Mitspracherechte einräumen: „Wofür gebe ich mein Taschengeld aus? Was gibt es zu essen? Was darf ich heute anziehen?“, erklärt Ziegler, der an der Uni Bielefeld lehrt. Auch wenn es anstrengend sei und Zeit koste: „Das Kind ernst zu nehmen und nach seiner Meinung zu fragen, gehört dazu.“ Und wenn der Dreijährige bei Kälte barfuß in den Kindergarten möchte? „Dann macht es natürlich keinen Sinn, dem Kind seinen Willen zu lassen.“ Denn in diesem Alter könnten Kinder die Folgen ihrer Handlungen noch nicht abschätzen - das gelingt den meisten etwa ab 10 oder 11 Jahren.

Um Kinder in ihrer Autonomie zu unterstützen, gehöre es deshalb dazu, Grenzen zu setzen: „Dabei kommt es aber auf die Begründung an“, findet Ziegler. Im konkreten Fall bedeutet das, dem Kind genau zu erklären, warum Schuhe bei Kälte sein müssen. „Regeln dürfen nicht einfach so gelten, nur weil sie von den Eltern kommen.“ Empfinden Kinder die Ansagen von Mutter und Vater als willkürlich, schüre das Konflikte.

Laut der am Dienstag (6. August) in Berlin vorgestellten KidsVerbraucherAnalyse (KidsVA) haben Kinder bei vielen Entscheidungen in der Familie volles Stimmrecht. So dürfen 86 Prozent der 6- bis 13-Jährigen mitreden, was die Familie gemeinsam unternimmt. 81 Prozent dieser Altersgruppe dürfen ihr Taschengeld selbstständig ausgeben. Für die Erhebung des Egmont Ehapa Verlags wurden 1645 Doppelinterviews mit jeweils einem Kind im Alter von 6 bis 13 Jahren und einem Erziehungsberechtigten geführt.

Das A und O beim Aufstellen von Regeln sei, dass Eltern sich selbst konsequent daran halten: „Und das klappt am besten, wenn Erwachsene ihre eigenen Gründe kennen“, sagt Ziegler. Denn Befehle und Sanktionen ohne Argumente ließen sich im Alltag meist nicht durchhalten. Und wenn Eltern sich einmal streng, dann wieder nachgiebig zeigten, könnten Kinder das nicht nachvollziehen - Konflikte sind dadurch programmiert.

Damit Kinder sich ernst genommen fühlen und merken, dass ihr Wort Gewicht hat, dürfen Eltern ruhig auch einmal Fehler einräumen: „Viele haben Angst, dass sie dadurch schwach werden“, erklärt Ziegler. Wenn Sohn oder Tochter aber eine bessere Idee hatten oder sich eine Regel als unsinnig erweist, spreche nichts dagegen, das einzugestehen. „Damit vermitteln Eltern das Gefühl: "Du bist mir wichtig" und "Wir sind auf Augenhöhe".“