Verfassungsgericht kippt Regelung zur Anfechtung der Vaterschaft
Karlsruhe (dpa) - Die Anerkennung einer Vaterschaft für nichteheliche Kinder ist wichtig für Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsrecht. Seit 2008 durften Behörden dagegen vorgehen. Diese Regelung hat das Bundesverfassungsericht jetzt als zu pauschal verworfen.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine gesetzliche Regelung für nichtig erklärt, mit der ein rechtlicher Missbrauch bei der Anerkennung einer Vaterschaft verhindert werden sollte. Die Regelung zielte auf Fälle, in denen Deutsche die Vaterschaft bei ausländischen Kindern anerkennen und ihnen so die deutsche Staatsbürgerschaft verschaffen. Die entsprechende Bestimmung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sei verfassungswidrig, teilte das Gericht am Donnerstag (30. Januar) in Karlsruhe mit.
Ein Sprecher des Justizministeriums sagte: „Wir werden den Beschluss jetzt genau prüfen müssen und die Begründung auswerten.“ Die Organisation Pro Asyl begrüßte die Karlsruher Entscheidung. „Das ist sehr erfreulich“, sagte die rechtspolitische Referentin Marei Pelzer.
Die Richter des Ersten Senats erklärten die 2008 eingeführte Regelung im BGB für verfassungswidrig, wonach Behörden die Anerkennung einer Vaterschaft bei nicht in einer Ehe geborenen Kindern anfechten können. „Zwar verfolgt der Gesetzgeber damit den legitimen Zweck, zu verhindern, dass durch Vaterschaftsanerkennung gezielt das Aufenthaltsrecht umgangen wird“, erklärten die Karlsruher Richter. In ihrer konkreten Ausgestaltung verstießen die Regelungen jedoch gegen das Grundgesetz. Sie seien so weit gefasst, dass auch Fälle einer Vaterschaftsanerkennung betroffen seien, „die nicht die Umgehung des Aufenthaltsrechts bezwecken“.
Die Richter betonten mit Blick auf den Gesetzgeber: „Die Möglichkeit der Behördenanfechtung muss (...) auf die Fälle spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen begrenzt bleiben.“ Das Bundesverfassungsgericht bestätigte damit Bedenken des Amtsgerichts Hamburg-Altona, das die Karlsruher Richter 2010 um eine Prüfung gebeten hatte.
Artikel 16 des Grundgesetzes schütze vor einer Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit, betonten die Verfassungsrichter. Dieser Schutz gelte auch für Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung erworben haben. Die BGB-Regelung verletze auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil es an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehle. Aus Sicht des betroffenen Kindes sei es ein gravierender Eingriff in die Grundrechte, wenn eine Behörde den Verlust seiner Staatsangehörigkeit herbeiführe. Schließlich verstoße die BGB-Bestimmung auch gegen das Elternrecht nach Artikel 6 und gegen das Recht des Kindes auf elterliche Pflege und Erziehung nach Artikel 2 des Grundgesetzes.
Die BGB-Regelung habe Behörden die Möglichkeit gegeben, im Ausländerrecht eine Misstrauenskultur zu etablieren, sagte Pro-Asyl-Referentin Pelzer. Letztlich werde so eine Schnüffelei im Privatleben der Betroffenen gefördert, um zu prüfen, ob eine soziale Bindung zwischen Kind und Vater bestehe. „Das Verfassungsgericht hat zwar eine Hintertür offen gelassen für eine Neuregelung, das stellen wir uns aber sehr schwierig vor“, sagte Pelzer. „Wir plädieren dafür, das einfach sein zu lassen.“