Wenn Oma klaut: Geldsorgen oft ein Tabuthema in der Familie
Potsdam (dpa/tmn) - Senioren tauchen in der Kriminalstatistik nicht nur als Opfer auf. Sie erscheinen auch als Täter, zum Beispiel bei Diebstahldelikten. Damit die Eltern im Alter nicht zu Langfingern werden, sind die Angehörigen gefragt.
Wenn in der Kriminalstatistik von Senioren die Rede ist, dann häufig nur in der Rolle der Opfer. Doch Ältere kommen darin auch als Täter vor. So waren 2012 mehr als sieben Prozent aller erfassten Tatverdächtigen 60 Jahre und älter. Dabei handelte es sich vor allem um Diebstähle, erklärt ein Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ein Grund dafür, dass Senioren zu Langfingern werden, sei die stark zunehmende Altersarmut, sagte Horst Weipert von der Sozialakademie Potsdam.
Altersarmut sei immer mehr ein Thema, so der Sozialarbeiter - und nicht auf sozial schwächere Schichten beschränkt. Verbunden damit sei eine große Scham bei den Betroffenen. Plötzlich reiche das Geld nicht mehr, obwohl Ältere jahrelang nicht nur sich selbst, sondern auch für die Kinder gesorgt haben. Dann ausgerechnet Hilfe von eben diesen Kindern oder Enkel anzunehmen, fällt schwer. Für die Betroffenen komme es einem Rollentausch gleich. Deshalb verschweigen sie die finanziellen Probleme lieber.
„Es ist ein absolutes Tabu-Thema in der Mehrheit der Familien“, sagte Weipert. Genau das sollte es aber nicht sein. Der Diplom-Pädagoge rät, das Thema Geld ganz offen anzusprechen - und nicht erst, wenn Senioren schon dabei erwischt wurden, wie sie etwas in ihrer Jacke verschwinden ließen.
Der beste Weg dafür ist, gemeinsam die Finanzlage unter die Lupe zu nehmen. Reiche das Geld nicht, um menschenwürdig über den Monat zu kommen, sollten die Kinder ein Angebot machen, empfahl Weipert. Dabei kommt es auf Verlässlichkeit an: Statt hin und wieder nach einem Besuch einen Umschlag mit Geld auf dem Küchentisch liegen zu lassen, sollten die Kinder mit ihren Eltern vereinbaren, zum Beispiel jeden Monat einen gewissen Betrag zu überweisen.
Wenn den Eltern die Idee nicht gefällt, ein monatliches Taschengeld von den Kindern zu bekommen, geht es auch indirekter: „Die Kinder können finanzielle Belastungen stellvertretend übernehmen“, riet Weipert. Zum Beispiel die Miete.
Wichtig sei außerdem, den Eltern klarzumachen, dass es öffentliche Hilfen wie Wohngeld gebe und sie diese auch annehmen sollten. Das Problem sei häufig, dass bei den älteren Generationen Demut und Bescheidenheit noch so stark verwurzelt sind, dass solche Hilfen nicht in Anspruch genommen werden, erläuterte der Sozialarbeiter.
Zusätzlich kann ein kleiner Trick helfen, damit es Senioren weniger schwerfällt, Geld von Angehörigen anzunehmen: Es könne eine Art Austausch vereinbart werden, erklärte Weipert. Das gehe etwa nach dem Motto: „Ich zahle die Miete, dafür bist du jeden Mittwoch Babysitter für uns.“ Dadurch wirken Finanzspritzen weniger wie Almosen.