Zum Wohle des Kindes - Wann das Sorgerecht entzogen wird

Berlin (dpa/tmn) - Wenn das Wohl eines Kindes stark gefährdet ist, können Eltern ihr Sorgerecht verlieren. 12 700 Kinder waren 2011 davon betroffen. Wann das Sorgerecht entzogen wird und auf wen es übertragbar ist, erläutert hier Eva Becker, Fachanwältin für Familienrecht.

Deutsche Familiengerichte haben wegen der Gefährdung des Kindeswohls Eltern im vergangenen Jahr nahezu doppelt so oft das Sorgerecht entzogen wie vor zwanzig Jahren. Etwa 12 700 Kinder waren von dieser Entscheidung betroffen. Das waren rund 5700 mehr als vor 20 Jahren und etwa 4600 mehr als vor 10 Jahren, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Mittwoch (18. Juli) berichtete.

Die Quote stieg 2011 erstmals auf zehn von 10 000 Kindern. Im Vorjahr hatte sie noch neun betragen. Das Sorgerecht für etwa 9600 Mädchen und Jungen übertrugen die Gerichte im vergangenen Jahr auf die Jugendämter. Bei jedem fünften von ihnen wurde den Ämtern nur das Recht zugesprochen, über den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Bei den übrigen 3100 Kindern übernahmen andere Erwachsene oder ein Verein das Sorgerecht.

Das Sorgerecht für ihre Kinder können Familiengerichte Eltern in schweren Fällen entziehen. Rechtsgrundlage ist das Bürgerliche Gesetzbuch. Gründe dafür können beispielsweise Missbrauch oder Misshandlung sein: „Entscheidend ist, dass das Kind in Gefahr ist“, erklärt Eva Becker, Fachanwältin für Familienrecht in Berlin. Gibt es Personen, die dem Kind nahestehen, kann das Gericht ihnen das Sorgerecht übertragen. Meist kommen zuerst Angehörige in Betracht, etwa Oma, Tante oder Onkel. „Es können aber auch andere Personen sein“, erklärt Becker. Gebe es eine Freundin der Mutter, zu der das Kind eine enge Bindung habe, könne sie genauso gut das Sorgerecht übernehmen. Damit kann diese Person zum Beispiel bestimmen, wo das Kind wohnt oder in welche Schule es geht.

Weiß das Jugendamt aber nichts über die Familienverhältnisse oder hat nur wenig Zeit zur Entscheidung, wird die elterliche Sorge zunächst einem Amtsvormund übertragen. Er entscheidet dann, ob das Kind in ein Pflegeheim kommt oder von Pflegeeltern betreut wird.

In der Regel ist der Entzug der elterlichen Sorge laut Becker aber der letzte Schritt. Im Vorfeld versuche das Jugendamt, eine andere Lösung zu finden. Hat etwa ein Elternteil Alkoholprobleme, versuche die Behörde, ihn zu einer Therapie zu bewegen. Damit das Kind in diesem Zeitraum weiter betreut wird, kann ein Familienhelfer dem anderen Elternteil unter die Arme greifen. Erst wenn so ein Versuch scheitert, etwa weil sich Mutter oder Vater weigern, wird die elterliche Sorge entzogen.