Die Schätzchen der Deutschen: Bund beerdigt Bundesschatzbriefe

Frankfurt/Main (dpa) - Als Geldanlage für die breite Masse wurden sie zur Institution. Bald soll es Bundesschatzbriefe nicht mehr geben. Dem Bund ist das Geschäft mit Privatkunden zu teuer. Für Nostalgie ist kein Platz.

Generationen von Sparern schworen auf ihn, Kinder und Enkel wurden damit beglückt: Der Bundesschatzbrief ist den Deutschen in mehr als vier Jahrzehnten ans Herz gewachsen. Nun werden die „Schätzchen“ beerdigt. „Ab 2013 wird der Bund keine neuen Serien von Bundesschatzbriefen und Ausgaben von Finanzierungsschätzen des Bundes mehr auflegen“, teilt die Finanzagentur, die Schuldenverwalterin des Bundes, lapidar mit.

Noch im Januar 2011 schwärmte die Frankfurter Behörde von der „beachtlichen Erfolgsgeschichte, die der Bundesschatzbrief seit über 40 Jahren und mehr als 500 Ausgaben schreibt“. Der „Klassiker unter den Bundeswertpapieren“ lohne sich: „Sei es der neue Wohnzimmerschrank in drei Jahren oder der Ausbildungszuschuss für Ihr (Enkel-)Kind in 18 Jahren - praktisch jedes Sparziel lässt sich mit dem Bundesschatzbrief bestens verfolgen.“

1968, im Jahr der Revolten und Studentenproteste, erdacht, entwickelte sich der Bundesschatzbrief ab 1969 zum Bestseller. Die erste Geldanlage des deutschen Staates für die breite Masse wurde zur Institution - wie der Weltspartag oder das Sparbuch fürs Kind. Der niedrige Mindestanlagebetrag (zunächst 100 D-Mark, später 50 Euro) und lange Zeit üppige Zinsen - in der Spitze fast zehn Prozent - überzeugten tausende Anleger. Seit der ersten Auflage am 2. Januar 1969 gab es 570 Ausgaben von Bundesschatzbriefen, 146 laufen noch.

„Bundesschatzbriefe waren im Durchschnitt eine faire und sichere Anlage“, bilanziert der Wirtschaftswissenschaftler Marco Wilkens, Inhaber des Lehrstuhls für Finanz- und Bankwirtschaft an der Universität Augsburg. „Es ist bedauerlich für Anleger, dass es diese sinnvolle Anlagemöglichkeit nicht mehr gibt“, sagt Wilkens, der die Attraktivität von Schatzbriefen empirisch untersucht.

Noch im Frühjahr 2008 - bevor die Finanzkrise eskalierte - blies der Bund zum Angriff auf Banken und Sparkassen: Eine Tagesanleihe sollte in großem Stil Privatkunden werben. Die Erwartungen an das erste neue Bundeswertpapier für Privatanleger seit fast 30 Jahren waren hoch: Bis 2013 wollte die Bundesrepublik Deutschland - Finanzagentur GmbH nach damaligen Angaben den Anteil ihrer Privatkunden auf drei bis fünf Prozent steigern.

Zum Vergleich: Anfang der 1990er Jahre waren Privatanleger noch zu rund 15 Prozent Geldgeber des Staates. Nach den neuesten Zahlen macht das Privatgeschäft inzwischen nur noch weniger als ein Prozent der gesamten umlaufenden Schuld des Bundes aus. Der Bruttoabsatz von Bundesschatzbriefen brach nach Angaben der Finanzagentur von gut 2,3 Milliarden im Jahr 2002 auf 81,8 Millionen (Stand April 2012) ein.

Längst dominieren Finanzprofis wie Banken, Versicherer und Fonds den Markt für Bundeswertpapiere. Das Privatkundengeschäft ist für den Bund vergleichsweise teuer. Dazu kommt: Zinsen von 0,05 Prozent im ersten Jahr bis 1,75 Prozent am Ende der Laufzeit von sechs beziehungsweise sieben Jahren lockten zuletzt kaum, Geld langfristig in Bundesschatzbriefen zu parken.

„Nostalgie ist fehl am Platz“, urteilt Fidel Helmer von der Privatbank Hauck & Aufhäuser, der das Geschehen an den Finanzmärkten seit mehr als 40 Jahren aktiv begleitet. „Der Bundesschatzbrief ist ein Instrument, das nicht mehr zeitgemäß ist, die jungen Leute haben daran kein Interesse, es wird viel mehr auf Rendite geschaut.“

Die Gelassenheit von Schildkröte „Günther Schild“, dem Werbemaskottchen der Finanzagentur, und seine Finanzexpertise („Mit Geld ist es wie mit Salat. Wenn ich es in Ruhe wachsen lasse, bringt es mir am meisten.“) scheinen nicht mehr zu überzeugen.

Doch was sollen Eltern und Großeltern nun dem Nachwuchs als erste Geldanlage schenken? Der Euro-Kritiker Wilhelm Hankel, der als Vater des Bundesschatzbriefs gilt, hat seine „Schätzchen“ schon lange verkauft. „Dass dieses Papier ein Euro-Papier geworden ist, hat mich schon geärgert“, sagte Hankel vor einem Jahr dem Anlegermagazin „Börse Online“. Er stecke Geld nur in „zukunftssichere“ Währungen: etwa Schweizer Franken und norwegische Kronen.

Ökonom Wilkens indes hält es weiterhin für eine gute Idee, wenn Anleger Deutschland die Stange hielten: „Wenn der Enkel drei Jahre alt ist, kann man ihm durchaus eine zehnjährige Bundesanleihe schenken. Die wird er ja nicht vorher verkaufen - und dann ist das Risiko vergleichbar mit einem Bundesschatzbrief.“