Erben leicht gemacht: Zettelwirtschaft ade
Berlin (dpa) - Wenn's ums Erben geht, ist wenig Platz für Pietät: Nicht selten kommt es zum Streit um den Nachlass. Aber auch die Zettelwirtschaft bei den Behörden hat vieles kompliziert gemacht. Doch damit ist bald Schluss.
Im Zeitalter von Internet, Laptop und Handys wirkt das Prozedere wie aus der Zeit gefallen: Zwischen 15 und 20 Millionen Karteikarten lagern bei deutschen Standesämtern. Sie geben Auskunft über Testamente und Erbverträge. Stirbt ein Mensch, muss das Nachlassgericht klären, ob dieser derartige Dokumente hinterlassen hat. Keine leichte Aufgabe - denn die „gelben Karteikarten“ werden von derzeit 5065 Standesämtern verwaltet. „Da muss man erst mal das richtige rausfinden“, sagt Thomas Diehn, Geschäftsführer der Bundesnotarkammer. Mit der Zettelwirtschaft ist nun Schluss: Ab 2012 gibt es ein Zentrales Testamentsregister.
Nach zehn Jahren Diskussion und Vorbereitung kommt Deutschland da an, wo andere EU-Länder schon sind. „Unsere Nachbarn haben das System längst“, berichtet Diehn. Neben Frankreich gehören auch Slowenien, Polen oder Estland zu den Ländern, die das elektronische System längst haben. „Es gehört eigentlich zu einem Rechtssystem dazu“, meint Diehn. „Bislang gibt es in Deutschland keine Möglichkeit, systematisch nach Testamenten zu suchen. Und die Nachlassgerichte erfahren so ziemlich als letzte, ob es eines gibt - dabei müssen sie so schnell wie möglich den Erbschein ausstellen.“
Das soll das neue elektronische System ändern: Ab 1. Januar 2012 ist das Register bei der Bundesnotarkammer der Dreh- und Angelpunkt. Amtsgerichte und Notare übermitteln dorthin elektronisch, dass sie ein Testament oder einen Erbvertrag aufbewahren. Stirbt der Erblasser - so die juristische Bezeichnung -, benachrichtigt das Standesamt des Sterbeortes das Register. Dort wird automatisch geprüft, ob es ein Testament gibt. Das Nachlassgericht erfährt dann, ob es ein solches gibt - und wenn ja, wo es verwahrt wird.
„Wir sind froh, dass wir die Karten los sind“, sagt Uwe Strunk, Leiter des Standesamtes Berlin-Mitte. „Je schneller, desto besser.“ Wann immer ein Mensch sein Testament ändert und der Notar dies mitteilt, muss es beim Geburtsstandesamt registriert werden. Doch nicht alle Ämter, die es einst gab, gibt es auch heute noch. So ist Berlin-Mitte zuständig für einst 13 Standesämter (bis 1938).
„Wir haben dann zu suchen“, so Strunk. „Bei einem kleinen Standesamt dauert das vielleicht fünf Minuten, wir suchen im Zweifelsfall schnell eine halbe Stunde.“ Schätzungsweise 160 000 bis 300 000 Karteikarten - genauer geht es laut Strunk nicht - verwaltet sein Amt. Damit gehört seine Behörde zwar zu den größten Standesämtern, die in München oder Köln seien aber größer.
In den vergangenen Jahren gab es verschiedene Anläufe für ein zentrales Register. Ein Hindernis waren die Kosten, berichtet Diehn von der Bundesnotarkammer. Denn nicht nur neue Urkunden, sondern auch der ganze Altbestand soll natürlich ins Register. „Vor ein paar Jahren wäre das noch nicht finanzierbar gewesen. Nun können wir die Daten aber scannen.“
Im vergangenen Dezember gab es endlich grünes Licht aus Berlin: Bundestag und Bundesrat stimmten dem Projekt zu. Seitdem wird mit Hochdruck an der Umsetzung des Registers gearbeitet: Notare, Standesämter und Gerichte werden derzeit mit entsprechenden Computerprogrammen ausgerüstet und geschult, es gilt Zugriffsrechte zu regeln und eine Verschlüsselung der sensiblen Daten zu sichern.
Die Kosten für das Register werden Schätzungen zufolge jährlich knapp drei Millionen Euro betragen. Verantwortlich für die Umsetzung ist neben der Kammer eine Arbeitsgruppe verschiedener Bundesländer. Deren Federführung hat Baden-Württemberg - Mitinitiator des Projekts.
Damit es dann auch wirklich pünktlich zum 1. Januar 2012 losgehen kann, bedarf es aus dem Bundesjustizministerium noch einer Verordnung. Ein Entwurf dafür ist den Ländern vor einigen Tagen zugeschickt worden zur Abstimmung. „Wir hoffen, ihn noch vor der Sommerpause durch den Bundesrat zu bekommen“, sagt Sprecher Thorsten Bauer. Viel Widerstand aus den Ländern ist wohl nicht zu erwarten: Der Entwurf baue auf den Vorarbeiten der Arbeitsgruppe auf, so das Justizministerium in Stuttgart.