Erbschaftsteuer-Urteil befeuert Firmenübergaben
Ulm (dpa) - Viele Unternehmer haben wegen der drohenden Änderungen bei der Erbschaftsteuer die Übergabe an ihre Familien in den vergangenen Monaten vorgezogen. Dabei wird es für Familienunternehmer ohnehin immer schwieriger, Nachfolger zu finden.
Die Ulmer Schmuckmanufaktur der Eltern übernehmen? Caroline Schwarz hatte eigentlich andere Pläne. Die Unternehmertochter ließ sich in den 80er Jahren zur Schauspielerin ausbilden. Erst vor gut 10 Jahren kehrte sie doch nach Ulm zurück. „Ich bin hineingeboren in ein Schmuckunternehmen“, erklärt sie den Drang. „Das ist so eine Art DNA.“ Anfang 2013 ging die heute 48-Jährige noch weiter und übernahm die Schmuckmanufaktur Ehinger-Schwarz von ihren Eltern. Sie führt das mehr als 140 Jahre alte Familienunternehmen damit in der fünften Generation.
Der Zeitpunkt war nicht ganz freiwillig gewählt. Caroline Schwarz hatte sich zwar nach mehreren Jahren in der Firma eingearbeitet. Der Grund für die Übergabe: eine mögliche Änderung im Erbschaftsrecht.
Am Mittwoch (17. Dezember) hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die 2009 eingeführten Privilegien für Firmenerben verfassungswidrig sind. Bis 30. Juni 2016 muss der Gesetzgeber nun eine neue Regelung finden. „Der Senat betont in seiner Entscheidung, dass der Schutz von Familienunternehmen und Arbeitsplätzen grundsätzlich einen legitimen Sachgrund darstellen, Betriebe teilweise oder vollständig von der Steuer zu befreien“, sagte Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof. Die Art und Weise sowie das Ausmaß der Steuerbefreiung seien aber nicht mit dem Grundrecht der steuerlichen Belastungsgleichheit zu vereinbaren.
Erbschaftsteuer? Für Caroline Schwarz undenkbar. „Das wäre für die Firma zu kostspielig gewesen“, sagt sie. „Wir kämpfen!“ Das Unternehmen schreibt Verluste. Klassische Juweliere konkurrieren mit günstigem Schmuck, gleichzeitig leidet der Einzelhandel. Caroline Schwarz leitete nach der Übernahme eine Restrukturierung ein, holte mit einem neuen Gesellschafter Kapital in die Firma. Zwei Geschäfte musste sie schließen. Gut 110 der 150 Arbeitsplätze konnte sie erhalten. „Man muss die Familienfirmen unterstützen - und nicht drangsalieren“, findet Schwarz.
Der Meinung ist auch Brun-Hagen Hennerkes, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Familienunternehmen. „Die Verschonung von Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer hat für die Zukunft der Familienunternehmen in Deutschland existenzielle Bedeutung“, sagt er. In einer Umfrage des ifo Instituts für die Stiftung gaben 43 Prozent der Familienunternehmen an, dass ohne diese Regelung beim Generationenübergang das Unternehmen oder Teile davon hätten verkauft werden müssen.
Auch andere Unternehmen haben deshalb einen Übergang vorgezogen. Heizungsinstallateur Manfred Scharpf aus Esslingen hat vor zwei Jahren zwei Drittel an seinem Betrieb an seinen Sohn übergeben. Für den Rest hofft er auf Freibeträge. Auch Europapark-Gründer Roland Mack hat vor drei Monaten vorsorglich Anteile an seine Töchter und seine beiden Söhne übergeben. „Ich appelliere an die Politik, jetzt schnellstens eine Lösung zu finden“, sagte Mack am Mittwoch. Wenn man die Komplexität und Unwägbarkeit der Erbschaftsteuer für Firmenerben betrachte, könne man nur zu dem Schluss kommen, dass die Steuer komplett abgeschafft werden müsse.
Eine familieninterne Nachfolge sei in der Regel günstiger, sagt Guy Selbherr, Vorstand der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg, die Firmen bei Unternehmensnachfolgen unterstützt. Das gelte auch noch, wenn sich die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen ändern. „Bei einem Verkauf an einen externen Nachfolger wird der Verkäufer immer versuchen, einen möglichst hohen Verkaufswert zu erzielen.“
Dabei wird es ohnehin schon schwieriger. Wie im Falle von Caroline Schwarz suchen Kinder ihren eigenen Weg. „Viele Familien haben nur noch ein Kind“, sagt Selbherr. „Bei extrem techniklastigen Geschäftsmodellen denken die Firmen häufig auch erst spät darüber nach, dass auch die Tochter eine geeignete Nachfolgerin ist.“
Ob die Ulmer Schmuckmanufaktur Ehinger-Schwarz irgendwann in der sechsten Generation von der Familie geführt wird, ist noch unklar. Caroline Schwarz hofft auf ihre 20-jährige Tochter Charlotte. Die trägt zumindest schon einmal den Namen ihrer Großmutter - und damit einer der wichtigsten Kollektionen.