Interview: „Das neue Recht fordert mehr Eigenverantwortung“
Justizministerin Brigitte Zypries rät Frauen, sich für den Fall einer Scheidung abzusichern.
Berlin. Mit dem seit Anfang des Jahres geltenden neuen Unterhaltsrecht befürchten viele Frauen finanzielle Einschnitte. Denn zunächst wird der Unterhalt auf die Kinder verteilt. Auch Geschiedene, die ihren ehelichen Lebensstandard halten wollen, müssen sich auf Änderungen einstellen. Im folgenden Interview verteidigt Bundesjustizministerium Brigitte Zypries (SPD) das neue Unterhaltsrecht gegen Kritik.
Frau Zypries, seit Anfang des Jahres gilt das neue Unterhaltsrecht. Hat es sich aus Ihrer Sicht bewährt?
Zypries: Wir haben heute noch zu wenige Erfahrungswerte, um eine fundierte Bewertung vorzunehmen. Aber es gibt bereits erste, positive Rückmeldungen und ich weiß, dass viele Betroffene sich lobend über das neue Recht geäußert haben. Das freut mich natürlich.
Teilen Sie die Einschätzung, dass geschiedene Frauen die Verlierer der Reform sind?
Zypries: Nein, auf keinen Fall. Geschiedene können nach wie vor aus unterschiedlichen Gründen Unterhalt verlangen, zum Beispiel wegen Krankheit, Erwerbslosigkeit oder um eine Aus- und Fortbildung zu ermöglichen. Ein angemessener Lebensunterhalt bleibt auch nach der Scheidung gesichert. Das neue Recht fordert aber mehr eigene Verantwortung im Fall eines Scheiterns der Ehe. Man sollte deshalb nicht davon ausgehen, durch die Eheschließung ein Leben lang versorgt zu sein.
Rollt auf die Gerichte tatsächlich eine Prozesslawine zu, wie es manche Praktiker befürchten?
Zypries: Nein. Wir konnten das bislang nicht beobachten. Das neue Recht gilt zwar auch für Altfälle, sodass sich der eine oder andere überlegen wird, ob eine Anpassung erforderlich sein könnte. Das werden aber nicht viele Fälle sein. Ich bin überzeugt, dass Rechtsanwälte vernünftig beraten und keine unnötigen Prozesse empfehlen werden.
Hat die Politik mit dem neuen Unterhaltsrecht das Ende der traditionellen Hausfrauen-Ehe besiegelt?
Zypries: Nein. Auch junge Paare haben nach wie vor die Möglichkeit, eine traditionelle Rollenverteilung in der Ehe zu wählen. Frauen, die sich gegen den Beruf und ausschließlich für die Kindererziehung entscheiden und ihrem Partner den Rücken frei halten, brauchen auch nicht zu befürchten, nach einer Scheidung jede Art von Arbeit annehmen zu müssen. Das Gesetz sagt ausdrücklich, dass nur eine Erwerbstätigkeit aufgenommen werden muss, die der eigenen Ausbildung, einer etwaigen früheren Tätigkeit, dem Alter und Gesundheitszustand entspricht.
Raten Sie jungen Paaren, einen Ehevertrag abzuschließen?
Zypries: Das neue Recht bietet zwar einen ausgewogenen, zeitgemäßen Rahmen, der in aller Regel passt. Ein Ehevertrag ist durchaus sinnvoll, wenn man bestimmte Besonderheiten individuell regeln möchte. Das war immer so und es ist nie verkehrt, sich Gedanken darüber zu machen, was wäre, wenn die Ehe doch nicht ewig hält.