„Melken, bis Staub kommt“ Restschuldversicherung macht Kredit teuer
Berlin (dpa/tmn) - Arbeitslosigkeit oder Tod von Angehörigen: Solche Schicksalsschläge wirbeln das Leben durcheinander. Wer dann noch Kredite abbezahlt, gerät schnell in finanzielle Not. Die Lösung: eine Restschuldversicherung.
Doch eine solche Police kann zu einer sehr teuren Falle werden.
Restschuldversicherungen sind eine Form der Risikolebensversicherung. Mit ihr sichern Verbraucher die Rückzahlung eines Kredites ab, falls sie vorher versterben. Häufig werden Zusatzversicherungen angeboten, um weitere Risiken wie Arbeitslosigkeit abzusichern.
Nach Ansicht der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) ist eine solche Police daher für Kunden ein sinnvolles Instrument. Sie ist „ein wesentlicher Baustein zum Schutz der Verbraucher und ihrer Angehörigen“, erklärt der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) stellvertretend für die Branche.
Niels Nauhauser sieht das anders. „Das Geschäft ist vor allem profitabel für Banken“, sagt der Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart. „Kunden erkennen oft gar nicht, wie teuer diese Absicherung eigentlich ist.“
Das zeigt ein Fall aus der Beratungspraxis der Verbraucherzentralen. Eine Frau hatte in einem Möbelhaus einen Ratenkredit in Höhe von 3795 Euro für den Kauf einer Küche abgeschlossen. Dabei handelte es sich um eine Null-Prozent-Finanzierung ohne Restschuldversicherung. Später hatte die Frau weiteren Geldbedarf. Das Angebot der Bank: Ein neuer Kredit über 5000 Euro und die Ablösung des alten Kredits von noch rund 3380 Euro. Zur Absicherung verkaufte die Bank der Kundin diesmal zusätzlich eine Restschuldversicherung für stolze 2030 Euro.
Da diese Summe auf das Darlehen aufgeschlagen wurde, kam eine Zinsbelastung von rund 3710 Euro auf die Kundin zu. Die Folge: Die Schulden der Frau wuchsen auf über 14 000 Euro an. „Der Effektivzins für das Darlehen lag hier bei 8,98 Prozent“, erklärt Nauhauser. Der Kundin war das nicht bewusst, denn das Thema Restschuldversicherung wurde bei der Beratung ihren Angaben zufolge nicht thematisiert.
Ein solches Vorgehen hat auch Dirk Ulbricht beobachtet. „Oft werden Restschuldversicherungen im Rahmen von Umschuldungen verkauft“, erklärt der Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) in Hamburg.
In einem Fall, den das iff dokumentiert hat, vergab ein Geldinstitut an einen Kunden acht aufeinanderfolgende Kredite. Der laufende Kredit wurde jeweils in einen neuen umgeschuldet. Insgesamt zahlte der Kunde in über 19 Jahren mehr als 160 000 Euro, trotzdem verdreifachten sich die Schulden in dem Zeitraum beinahe. „Verbraucher werden mitunter in die Schulden getrieben“, sagt Finanzexperte Nauhauser. „Frei nach dem Motto: Melken, bis Staub kommt.“ Dirk Ulbricht ergänzt: „Im Zweifel bleiben Sie ein Leben lang an die Bank gebunden.“
Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) sieht Probleme bei Restschuldversicherungen. „Restschuld- und Zusatzversicherungen sind nicht standardisiert“, warnt die Bafin auf ihrer Homepage.
Eine wichtige Frage ist: Knüpft die Bank die Kreditvergabe an die Restschuldversicherung, oder will der Kunde diese Absicherung? „Wenn die Bank den Kredit nicht ohne die Restschuldversicherung vergibt, muss sie die Kosten in den effektiven Jahreszins mit einrechnen“, erklärt Ulbricht. Fragt aber der Kunde nach der Versicherung, müssten die Kosten nicht so ausgewiesen werden. „Im Verkaufsgespräch werden Verbraucher über diesen Unterschied oft im Unklaren gelassen.“
Die Deutsche Kreditwirtschaft sieht hier aber kein generelles Problem: „Der Abschluss einer Restschuldversicherung ist meist eine Option für den Kunden“, erklärt der BVR.
Auch David Furtwängler stellt sich genereller Kritik entgegen. „Wir setzen uns für eine moderne Ausgestaltung der Restkreditversicherung ein“, erklärt der Hauptbevollmächtigte der BNP Paribas Cardif Deutschland. „Damit der Kunde volle Transparenz über die Kosten hat, weisen wir diese bereits seit längerem im Vertrag einzeln aus.“
Dennoch: Kunden sollten immerl gut überlegen, ob sie die Versicherung brauchen, raten die Verbraucherschützer. „Ob die Versicherung sinnvoll ist, hängt vom konkreten Bedarf ab“, sagt Nauhauser.