Bürokratiebaustellen Schleppende Bürokratie vs. Digitalisierung

Die Tatsache, dass es in Deutschland ein »Bürokratieentlastungsgesetz« in mittlerweile drei Stufen gibt, sagt schon viel aus. Gerade bezüglich der Digitalisierung erweist sich die Bürokratie als ein aus der Mode gekommener Router, der beständig hinterherhinkt.

Unser Smartphone ist heute unser stetiger Begleiter - immer mehr Aspekte unseres Lebens werden digitalisiert. Die Rechtsprechung hinkt stets hinterher.

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Dabei ist die Digitalisierung in sich ein sich ständig verändernder und vorausschnellender Prozess, der Entscheidungen in Echtzeit voraussetzt, nicht aber Entscheidungen mit Verspätung. Dieser Artikel stellt drei Bereiche vor, in denen das Bürokratiemonster die Digitalisierung ausbremst und echte Probleme schafft.

Glücksspielstaatsvertrag: knapp fünf Jahre zu spät

Das Onlineglücksspiel ist das Paradebeispiel für eine Digitalisierung einer Branche, über die sich die Decke der Bürokratie ausgebreitet hat. Erst in diesem Jahr wurde beschlossen, dass das Online-Glücksspiel in den kommenden Glücksspielstaatsvertrag in all seinen Formen aufgenommen, vielmehr, dass es lizenziert und reguliert wird. Was gut klingt, wäre gut gewesen, wäre es denn einige Jahre vorher beschlossen worden. Die Probleme:

  • Online-Glücksspiel boomt – Online-Casinos und Online-Sportwetten boomen und schreiben fantastische Umsatzzahlen. Nur hatten die Anbieter gar keine Chance, sich in Deutschland zu stationieren, denn der alte Glücksspielstaatsvertrag stellte sie unter das Banner der Illegalität.
  • Simple Lösung – die EU hat bereits Gesetze und Regelungen, die auch auf das Glücksspiel angewendet werden können. Dies geschieht, denn die Glücksspielanbieter arbeiten nach dem EU-Recht mit einer nach diesem Recht gültigen Lizenz. Ohne die Hürden der Bürokratie hätte Deutschland die für die EU gültigen Regeln übernehmen und leicht abwandeln können
  • Rückzug – selbst Anbieter wie Novoline zogen sich und ihre Spiele vom deutschen Markt zurück, weil ihnen die Gesetzeslage zu heikel war und die Regelungen zu lange dauerten. Maus diesem Grund gibt es online nur wenige Anbieter mit Novoline Spielen. Die Chancen stehen jedoch gut, dass sich dies im Zuge der Regulierung ändern könnte.

Ab dem kommenden Jahr darf das Online-Glücksspiel legal in Deutschland angeboten werden, zugleich können die Unternehmen eine dementsprechende Lizenz in Deutschland beantragen. Das werden sie sicherlich machen, doch warum sollten sie ihren über die Jahre aufgebauten Sitz nach Deutschland verlegen? Nur neue Glücksspielanbieter können nach Deutschland gelockt werden, diese bringen jedoch anfangs weitaus wenige Einnahmen und können nicht die durch das Glücksspiel bereits entstandenen Steuerverluste auffangen.

Das Tragische ist allerdings, dass bereits im alten Glücksspielstaatsvertrag das Onlineglücksspiel erwähnt wurde. Nur wurde es strikt an staatliche Stellen gebunden und so stark reglementiert, dass es für Außenstehende uninteressant wurde. Welche Folgen die Bürokratie in diesem Fall haben kann, zeigt das Beispiel »Oddset«. Der staatliche Wettanbieter ist vom Markt verschwunden, da er sich gegen die Konkurrenz aus der Grauzone nicht durchsetzen konnte.

die Mühlen der Gesetzgebung malen nur langsam, bis sie zu Papier gebracht sind, dauert es. Zu langsam für den immer schnelleren Fortschritt in der Welt.

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Leistungsschutzrecht: Schutzwall für Verlage

Das Leistungsschutzrecht ist ständig in der Kritik. Im Kern der Diskussionen stehen die kurzen Textausschnitte und Videos, die Suchmaschinen von Zeitungsartikeln und Co. anzeigen. So wurden Regeln erschaffen und angedacht, die sicherlich »gut gemeint« waren, doch »nicht gut gemacht« sind:

  • Idee – für die Teaser, die in den Suchmaschinen angezeigt werden, sollen die jeweiligen Betreiber der Suchmaschinen zahlen. Die Verlage und Herausgeber würden, nach Vorstellung der Politik, somit vor dem unentgeltlichen Lesen und der Verwendung geschützt. Zudem sollen Videos vor dem Upload geprüft werden.
  • Problem – vom Grundsatz müssen die Werke von Künstlern, Verfassern und Verlegern vor der unentgeltlichen Nutzung geschützt werden. Dieser Ansatz ist nicht falsch, nur wird in diesem Fall der Sinn und Zweck der Snippets missachtet. Es handelt sich um etwas längere Schlagzeilen mit Unterüberschriften, die in den Suchmaschinen auftauchen – nicht um vollständige Artikel, die fernab der Verlagsseite gelesen werden können. An dieser Stelle setzt die Fehlerspirale der bürokratischen Entscheidungen an.
  • Wirkung – müssten Suchmaschinen für den Teaser »PSG im Halbfinale. Sieg in letzter Minute« zahlen, würden die Betreiber wahlweise die Ergebnisse gar nicht mehr anzeigen oder aber, sie schlecht platzieren. Herausgeber und Verlage hingegen erzielen Einnahmen durch Werbeeinblendungen, die markant mit den Suchmaschinenplatzierungen der Seite und den dadurch zu erwartenden Seitenbesuchern zusammenhängen. In der Folge bekäme der Verlag eventuell einige Cent für den Teaser, würde aber große Teile der eigentlichen Einnahmequelle verlieren

Fakt ist, das Leistungsschutzrecht ist wichtig, doch ist der bislang praktizierte Ansatz falsch. Schon allein die Diskussion schadet den Verlagen, denn ob bloße Überschriften und ein Teaser mit 20 Wörtern schützenswert ist, ist eine andere Frage, die die Öffentlichkeit wohl verneint.

Home-Offices: digitales Arbeiten im Steinzeitrecht

Das Home-Office ist eine weitere Bürokratiebaustelle, die sich ganz besonders im Steuer- und Arbeitsschutzrecht offenbart. Dabei nimmt die Digitalisierung in Unternehmen deutlichen Einzug und mittlerweile sind viele Betriebe bereit, ihren Mitarbeitern die Heimarbeit zu ermöglichen. Das klingt attraktiv, modern und angenehm. Ist es auch, bis das Erwachen kommt:

  • Arbeitsschutz – natürlich endet die Pflicht des Arbeitgebers nicht an dessen Bürotür. Der Arbeitsschutz sieht jedoch vor, dass ein Angestellter im Home-Office einen echten Arbeitsplatz eingerichtet bekommt, der sich nach den typischen Vorgaben der Bürokratie richtet. In der Realität ist das kaum durchführbar, nicht nur haben die meisten Angestellten nicht ausreichend Platz zu Hause, schon die Beleuchtungsregeln wollen die meisten nicht im Haus umsetzen
  • Steuern – schon Lehrer kennen das Problem: Handelt es sich nicht um ein abgeschlossenes Arbeitszimmer, das kahler eingerichtet und dekoriert ist, als jeder Schreibtisch im Großraumbüro, so zählt das Arbeitszimmer steuerrechtlich nicht als (voll) absetzbares Gut. Die Digitalisierung erlaubt es jedoch immer mehr Personen von zu Hause aus zu arbeiten. Angestellte, Künstler, Freiberufler – sie alle arbeiten von daheim, doch benötigen sie kein echtes Arbeitszimmer. Digitalen Nomaden genügt der Laptop, eine Sitzmöglichkeit und ein Tisch. Die Bürokratie sieht diese Arbeitsplatzmodelle steuerlich jedoch nicht vor – wie auch die Nutzung des ganz gewöhnlichen Internetanschlusses, der daheim genutzt wird. Ist die Nutzung des Internets während der Arbeitszeit privat oder beruflich, wenn gleichzeitig Musik über die Leitung gestreamt wird?

Aktuell wird übrigens eine Pauschale gefordert, die das Problem eventuell verringern könnte. Wie schnell dies geht, ob sie sich auf Arbeitnehmer bezieht oder ob digital arbeitenden Freiberuflern das Leben mit erleichtert wird, bleibt abzuwarten. Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam.

Fazit - Reaktionszeit zu langsam, Lösungen nicht durchdacht

Bislang reagiert die Politik auf die Digitalisierung in vielen Bereichen wesentlich zu langsam. Reagiert sie, prescht sie hervor, ohne die Folgen des Vorpreschens tatsächlich zu beachten. Oder aber, es werden Möglichkeiten geboten, die jedoch so hohe Hürden haben, dass im häuslichen Umfeld kaum jemand in der Lage – oder bereit – ist, sie zu nehmen. Das Kinderzimmer können Arbeitnehmer kaum ausräumen und kahl mit Tisch und Computer dekorieren, damit es als echtes Arbeitszimmer durchgeht.