Sparen statt bauen: Altverträge belasten Bausparkassen
Stuttgart (dpa) - Einst sollten sie Kunden locken, nun sind sie ein Klotz am Bein: Hoch verzinste Altverträge stellen Bausparkassen in Zeiten anhaltend niedriger Zinsen vor Probleme - auch weil so mancher Kunde damit offenbar gar nicht mehr auf ein Eigenheim spart.
Heute kann man von solchen Konditionen nur träumen: In guten Zeiten boten Bausparkassen Kunden Verträge mit 4 Prozent Zinsen oder sogar mehr aufs Eingesparte. Was ihnen vor zehn Jahren regen Zulauf brachte, ist ihnen nun jedoch ein Klotz am Bein: Die vergleichsweise hoch verzinsten Altverträge sind zu teuer - Tausenden Kunden flatterte deswegen bereits die Kündigung ins Haus.
„Die Schere zwischen den Kosten für diese Verträge und dem Verdienst daran geht immer stärker auseinander“, sagt Dirk Müller-Tronnier, der beim Beratungsunternehmen Ernst & Young (E&Y) für Banken und Bausparkassen zuständig ist. Viele der attraktiven Tarife stammten noch aus den 1990er Jahren, als das Zinsniveau höher war und Bausparkassen um Marktanteile buhlten.
In Zeiten anhaltend niedriger Zinsen bekommen die Institute am Finanzmarkt aber selbst nur sehr niedrige Zinsen für das Kapital ihrer Bausparer und können sich die lukrativen Verträge nicht mehr leisten.
Die LBS Bayern kündigte jüngst zum Beispiel 26 000 Bausparverträge aus alten Zeiten - allerdings nur solche, die seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind. Das heißt, dass Kunden die erforderliche Summe bereits angespart, aber kein Darlehen in Anspruch genommen haben. Für die Verträge haben Sparer den Angaben zufolge zum Teil eine Verzinsung von 3,5 Prozent auf ihr Guthaben erhalten. Zum Vergleich: Aktuell liegt sie bei 0,25 Prozent.
Die Bausparkasse Wüstenrot hat bereits Tausenden Kunden mit alten Verträgen gekündigt, deren Angespartes die Bausparsumme überstiegen hatte. Aktuell liegt der Anteil von Verträgen mit einer Verzinsung über 3,5 Prozent dort bei etwa einem Fünftel.
Verbraucherschützern zufolge sind die Kündigungen keine Einzelfälle. Mehrere Bausparkassen hätten bereits Altverträge gekündigt, bei denen die Bausparsumme noch nicht überschritten worden sei, wie Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sagt. Rechtlich handelt es sich dabei aus seiner Sicht um eine Grauzone.
„Die Bausparkassen haben vor allem dann einen Ausweg, wenn der gesamte Bausparvertrag angespart ist - also der Kunde aus dem Vertrag heraus gar kein Darlehen mehr beantragen kann und muss“, erläutert Müller-Tronnier.
In anderer Hinsicht bewegen sich die Institute ihm zufolge aber auf dünnem Eis. „Die dauerhafte Akzeptanz der Branche steht dadurch infrage“, gibt der Experte zu bedenken. „Jede Bausparkasse muss sich fragen: Was heißt das für meine Kunden in der Zukunft? Ein Kunde wird es sich sicher zweimal überlegen, ob er zu der Bausparkasse zurückkommt.“
Die Geschichte hat allerdings auch eine andere Seite: Zahlreiche Kunden sparen offensichtlich gar nicht mehr auf ein Eigenheim, sondern wollen ihr Geld dank der hohen Zinsen lediglich weiter vermehren. „Da ist es fast eine Pflicht der Bausparkasse, dafür zu sorgen, dass nicht ein paar wenige Kunden die Weintrauben bekommen, ohne dass es dafür einen nachvollziehbaren Grund gibt“, sagt Bankenexperte Hans-Peter Schwintowski von der Berliner Humboldt-Universität mit Blick auf solche Altkunden. „Wer jetzt das Geld nicht zum Bauen nimmt, der nimmt das nie.“
Habe sich eine Bausparkasse von den hochverzinsten Altverträgen befreit, könne sie zumindest theoretisch irgendwann wieder bessere Tarife anbieten. „Aus Sicht der Neukunden und der Kassen ist das sehr sinnvoll.“
In dieses Horn stößt auch Wüstenrot: Es handle sich bei solchen Kündigungen auch um „Maßnahmen zum Schutz des Kollektivs“, heißt es dort. Zweck des Bausparens sei es schließlich, ein Bauspardarlehen zu erlangen. „Bestimmungsgemäße Aufgabe der Bausparkassen ist es, ihren Kunden das Erreichen dieses Ziels zu ermöglichen - Bausparen ist Zwecksparen.“