Streit im Mietshaus: Mediation bringt Ruhe
Bremen/Berlin (dpa/tmn) - Mülltüten vor der Wohnungstür, Kinderwagen im Hausflur oder laute Stöckelschuhe auf dem Parkett - Gründe für Streit mit dem Nachbarn gibt es viele. Wenn sich beide Seiten nicht einigen können, können sie auch Hilfe holen.
Streit zwischen Mietern oder Nachbarn gibt es immer wieder. Oft schwelt er über Jahre bis eine Partei auszieht - oder den unliebsamen Nachbarn verklagt. Wohnungsbaugesellschaften setzen daher vermehrt auf Mediation.
„Geräusche, Ordnung und Sauberkeit der Gemeinschaftsräume sind die häufigsten Streitpunkte“, sagt Kirsten Gieseler von der Mediationsfirma Dr. Gieseler und Stein in Bremen. Mietrechtsrelevant seien die Auseinandersetzungen zwar meist nicht. Doch den Betroffenen gehen die Auseinandersetzungen an die Nieren, denn „die Wohnung ist eine Rückzugsstätte, ein Privatbereich, in dem die Menschen vor allem, was von außen kommt, geschützt sein möchten“, sagt Gieseler.
Gerade deswegen sei Mediation die ideale Lösung für Nachbarschaftskonflikte, meint Angelika Rüstow von der Arbeitsgemeinschaft Mediation im Deutschen Anwaltverein in Berlin. Man könne zwar alles gerichtlich erstreiten, aber gerade auf einem so engen Lebensraum wie in einem Mehrfamilienhaus sei ein Sieg vor Gericht nur wenig wert. Der eine triumphiere, der andere sei verbittert und suche nach dem nächsten Anlass. „Es lebt sich leichter miteinander, wenn man eine einvernehmliche Lösung gefunden hat.“
Denn auch Mieter sind grundsätzlich harmoniebedürftig. Zum Konflikt komme es nicht, weil die Mieter oder Nachbarn es bewusst darauf anlegen, sondern weil unterschiedlichste Bedürfnisse auf kleinstem Raum aufeinander treffen. „Wohnen ist ein Menschenrecht“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund in Berlin. Da es rund 22 Millionen Mietverhältnisse gibt, könne es nicht erstaunen, dass es immer wieder Streit gibt.
Den Menschen gehe es nicht so sehr um das Rechthaben, sondern um das Verstanden- und Respektiertwerden. Streit breche oft aus, weil Letzteres nicht gelingt. Die Kommunikation sei meist nicht respektvoll zugewandt, sondern beschränke sich auf Vorwürfe. „Die Barrieren werden größer statt abgebaut zu werden“, sagt Gieseler. Der ideale Zeitpunkt für den Einsatz von Mediatoren sei daher, sobald eine erste Beschwerde vorliegt, erklärt Rüstow. Denn bis jemand sich offiziell beschwert, vergehe einige Zeit.
In der Realität sind es seltener die Mieter oder Nachbarn selbst, die sich an die Mediatoren wenden, sondern Vermieter oder Rechtschutzversicherungen. „Da steht natürlich das Interesse im Vordergrund, die Kosten möglichst gering zu halten“, sagt Rüstow. Viele Versicherungen hätten eigene Mediatoren im Haus und böten ihren Kunden deren Dienste an, um teure Prozess zu vermeiden.
Auch Gieseler bezieht ihre Aufträge in der Hauptsache durch Vermieter und Wohnungsunternehmen oder durch Empfehlungen von Rechtsanwälten. Menschen, die bereits beim Anwalt waren oder sich an ihre Hausverwaltung gewandt haben, sind aber in den Konflikten sehr weit gediehen. Ziel sei es daher oft, erst einmal Ruhe ins Haus zu bringen. „Reine Mediation, die auf Freiwilligkeit der Parteien beruht, können wir nicht schaffen. Denn die Menschen haben sich nicht freiwillig an uns gewendet, sondern das Wohnungsunternehmen hat entschieden, dass dieser Konflikt von uns bearbeitet werden soll.“
Das Prozedere der „Konfliktschlichtung mit den Mitteln der Mediation“, wie es im Mietrecht offiziell heißt, ist aber dasselbe wie das einer klassischen Mediation. Die Parteien werden angeschrieben und vereinbaren einen Termin. „Das gelingt in 100 Prozent der Fälle“, so Giesler. Im folgenden Einzelgespräch tragen die Parteien ihre Sicht vor. Das Geschehen, die Gefühle und Bedürfnisse werden herausgearbeitet, Wünsche formuliert, Lösungsansätze erarbeitet.
„Vorschläge werden keine unterbreitet“, betont Rüstow. Der Mediator versuche, den Parteien dabei zu helfen, selbst herauszufinden, wo ihre Interessen liegen und wie sie ihre Ziele erreichen können. Denn letztlich will jeder in Frieden leben.
Im nächsten Schritt wird vor Ort ermittelt. Wenn etwa Lärmbelästigung der Streitpunkt ist, wird eine Probe gemacht. „Dazu bitten wir die Partei, die angeblich den Lärm macht, in die eigene Wohnung, um sich dort zu bewegen, etwas rumzuschieben oder zu laufen“, sagt Rüstow. Dann werde in der Wohnung desjenigen, der sich gestört fühlt, gehört, wie das bei diesem ankommt. „Und dann bitten wir den Nachbarn in die Wohnung des Beschwerdeführers und wir machen dann die Geräusche in der anderen Wohnung.“
Die Streithähne hören sich also im wahrsten Sinne des Wortes zu und entwickeln Verständnis für den anderen. Vor allem aber lernen sich die Parteien besser kennen. Und das kann dazu führen, dass sie rücksichtsvoller miteinander umgehen. Gieseler nennt Beispiele: „Sie fahren mit dem Sauger nicht mehr so gegen die Heizungen oder schließen die Türen leiser.“