Umfrage: Bank-Kunden sind unzufrieden und wechselwillig
Deutschlands Banken stecken in einer tiefen Vertrauenskrise. Das zeigt eine Umfrage der Unternehmensberatung Bain & Company unter knapp 3.000 Privatkunden aller großen Finanzinstitute. Demnach überlegen viele Kunden, ihre Bankverbindung zu wechseln.
Düsseldorf. Die deutschen Banken stecken in der „schwersten Vertrauenskrise der Nachkriegszeit“, sagt Walter Sinn, Partner und Leiter der Deutsch/Schweizer Banking-Praxisgruppe bei Bain & Company. Vor allem die Kunden bei den Großbanken sind besonders unzufrieden. Die Konsequenz: Mehr als 40 Prozent der Großbankkunden können sich vorstellen, ihre Bank zu wechseln.
Die Kunden der Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind weniger unzufrieden, aber von der allgemeinen Bankenkritik ausgenommen bleiben allein die Direktbanken. Ihre klare Positionierung mit niedrigen Gebühren und schlanken Strukturen mache sich bezahlt. „Die Kunden verstehen, wofür Direktbanken stehen und honorieren dies. Bei den anderen Instituten klafft hier teils eine erhebliche Lücke“, sagt Bain-Partner Dirk Vater.
Die Unzufriedenheit der Kunden hat für die Banken weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen — und das ausgerechnet in Zeiten vor dem Start von Basel III, bei dem das Privatkundengeschäft für die Institute wieder besonders wichtig wird. Denn es ermöglicht stabilere Erträge und eine marktunabhängige Refinanzierung. Wie wichtig die Kundenzufriedenheit ist, zeigt sich laut der Studie darin, dass sie rund 30 Prozent mehr Produkte halten, ihrer Bank im Durchschnitt 1,2 Jahre länger treu bleiben und sie dreimal so häufig weiterempfehlen wie andere Kunden. In der Konsequenz liegt der Ertrag pro zufriedenem Kunden um fast 60 Prozent höher als bei einem Kritiker.
Wichtigste Faktoren für den Erfolg: Gute Beratung, zuverlässiger Service, erst dann der Preis. Den Banken empfiehlt die Unternehmensberatung, sich neu auszurichten. Derzeit schätzten sie das, was Kunden wirklich wollen, häufig falsch ein. Das belegt die Auswertung. Faktoren, die sich besonders positiv auf die Kundenloyalität auswirken: Auf Platz eins steht der Umfrage zufolge die Qualität der Beratung, einhergehend mit zuverlässigem und empathischem Service. Erst danach kommt der Preis — und hier insbesondere eine einfache, transparente und ehrliche Preispolitik.
Die Kritik der Kunden entzündet sich vor allem an fehlender Kompetenz und mangelhafter Individualität in der Beratung. Viele Banken sähen Beratungsgespräche immer noch primär als Plattform für den gezielten Verkauf bestimmter Produkte. „Eine Rückkehr zu alten Tugenden ist überfällig! Nur wenn die Banken wieder auf Qualität der Beratung und Service setzen, können sie das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen“, sagt Vater — und rät, die Kunden in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen.
Darüber hinaus müssen bislang getrennte Online- und Offline-Welten in einem Omni-Channel-Angebot vereint werden. Denn Privatkunden führen einen immer größeren Teil ihres Bankgeschäfts online aus. Zugleich erklärten aber mehr als 70 Prozent, dass ihr persönlicher Bankberater auch im Internet-Zeitalter für sie außerordentlich wichtig sei. Diese auf den ersten Blick widersprüchlichen Kundenbedürfnisse ließen sich nur mit einem Omni-Channel-Angebot aus einem Guss beantworten.
Allerdings zeigt die Umfrage auch, dass sich das Profil der Beratung im Zuge der Digitalisierung verändern wird. Nach einem ersten Gespräch sind immer mehr Kunden bereit, per E-Mail oder per Video-Chat in Kontakt zu bleiben. „Insgesamt eröffnet das für Institute im deutschen Markt die Chance, eine überfällige Modernisierung und Neustrukturierung des Filialnetzes anzugehen“, so die Studien-Autoren.