Bei Selbstzahler-Behandlungen ist Skepsis angebracht

Berlin (dpa/tmn) - Akupunktur, Baby-TV, Bach-Blütentherapie oder Krebserkennung - Patienten werden immer mehr Leistungen auf eigene Rechnung angeboten. Die Krankenkassen zweifeln am Nutzen der meisten Angebote.

Und auch Patienten sollten skeptisch sein.

Selbstzahler-Angebote in den Praxen bringen den Patienten nach Ansicht der Krankenkassen meist keinen klaren Mehrwert. Gerade bei den sogenannten individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), die am häufigsten verkauft werden, sei praktisch nichts mit deutlich erwiesenem Nutzen dabei, teilte der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDS) am Mittwoch (20. März) in Berlin mit.

Das gelte im Großen und Ganzen etwa für Ultraschalluntersuchungen der Brust zur Krebsvorsorge, die Früherkennung von Grünem Star (Glaukom), die Früherkennung von Prostatakrebs oder die professionelle Zahnreinigung bei Erwachsenen ohne Paradontitis. „Die Mehrzahl der IGeL-Leistungen schneidet nicht gut ab, einige sogar sehr schlecht“, sagte MDS-Geschäftsführer Peter Pick.

Dabei wächst der Markt laut einer neuen Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) immer weiter: binnen zwei Jahren um 5,3 auf 26,2 Millionen Angebote 2012. In zwei von drei Fällen komme es auch zu der Untersuchung oder Behandlung. Die Ärzte verdienen damit laut WidO geschätzt 1,3 Milliarden Euro im Jahr. Trotz Aufklärungspflicht der Mediziner seien 39 Prozent der Patienten gar nicht auf die Zuverlässigkeit der Methode angesprochen worden. Oft würden Patienten auch unter Druck gesetzt, kritisierte Pick.

Entsprechend groß sei der Bedarf unabhängiger Information. Rund 900 000 Interessierte hätten einen IGeL-Monitor im Internet mit den MDS-Bewertungen seit dessen Start vor einem Jahr besucht. Von den bislang 30 abrufbaren IGeL sind 12 als schädlich oder tendenziell schädlich bewertet worden, bei 11 ist unklar, ob sie eher schaden oder nützen. Künftig würden noch mehr Angebote bewertet. Versicherte sollen per Smartphone-App auch im Wartezimmer Zugriff haben.

Das für viele Betroffene wohl überraschend negative Votum zu den Ultraschall-Brustuntersuchungen begründete der MDS mit einer erschreckend schlechten Studienlage zum Nutzen. Die schonende Methode kommt oft vor. In bestimmten Fällen, bei dichtem Brustgewebe, könne man so aber auch Krebs finden, der mit der stärker belastenden Mammografie übersehen wird.

Bietet der Arzt ohne erkennbaren Anlass eine Behandlung gegen Geld an, sollten Patienten skeptisch bleiben. „IGeL dürfen eigentlich nur auf Nachfrage des Patienten oder im medizinischen Kontext angeboten werden“, erläutert Michaela Schwabe von der Beratungsstelle Berlin der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD).

Das heißt zum Beispiel: Solange ein Mann keine Beschwerden mit seiner Prostata hat, hat die oft als IGeL angebotene Bestimmung des PSA-Wertes zur Prostatakrebs-Früherkennung keinen Sinn. Ein erhöhter Wert allein habe noch keine Aussagekraft, sagte Schwabe. Ergänzend könne die Untersuchung aber dann durchaus sinnvoll sein, wenn etwa die Prostata schon vergrößert ist.

„Ganz wichtig bei IGeL-Angeboten ist, sich erstmal aufklären zu lassen und nachzufragen, warum der Arzt die Leistung für sinnvoll hält“, rät Schwabe. Der Arzt müsse den Patienten darüber informieren, welcher Nutzen und welche Risiken bestehen, wie hoch die Kosten sind und dass die Krankenkasse diese nicht übernimmt. Anschließend sollte man sich Bedenkzeit nehmen. Das könnten ruhig auch drei Tage oder mehr sein.

Bevor die Selbstzahler-Behandlung beginnt, müssen Arzt und Patient eine schriftliche Vereinbarung darüber schließen. Darin sollte auch die Gebührenziffer, nach der der Arzt die IGeL abrechnet, zu finden sein, erläutert Schwabe. Eine Pauschale sei nicht rechtens. „Man sollte die IGeL nicht annehmen, wenn das nicht ordnungsgemäß ist.“

„Außerdem hat jeder Patient Anspruch auf eine ordnungsgemäße Rechnung“, so die Juristin. Auch darin müsse - wie bei einer Rechnung für Privatpatienten - die Abrechnungsziffer gemäß der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) beziehungsweise Zahnärzte (GOZ) vermerkt sein. Eine simple Quittung reiche nicht aus.

Service:

Die UPD berät im gesetzlichen Auftrag zu gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen in 21 Beratungsstellen sowie über ein bei Anrufen aus dem Festnetz kostenfreies Beratungstelefon in mehreren Sprachen. Deutsch: 0800 0 11 77 22 (Mo. bis Fr. 10-18 Uhr, Do. bis 20 Uhr), Türkisch: 0800 0 11 77 23 (Mo. und Mi. 10-12 Uhr, 15-17 Uhr), Russisch: 0800 0 11 77 24 (Mo. und Mi. 10-12 Uhr, 15-17 Uhr).