Bei Verdacht auf Prostatakrebs nicht sofort Gewebe entnehmen
Münster (dpa/tmn) - Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung beim Mann. Die Diagnose umfasst mehrere Schritte, die genau abgewogen werden müssen. Gewebe sollte nicht automatisch entnommen werden, sondern nur unter bestimmten Bedingungen bei bestimmten Patienten.
Im Jahr 2008 wurde der Prostatakrebs bei mehr als 63 000 Männern in Deutschland festgestellt, mehr als 12 000 starben daran. Für den Nachweis des Tumors ist eine Gewebeprobe des Organs (Biopsie) notwendig.
„Das Prostatakarzinom macht keine Kardinalsymptome und selten akute Beschwerden, es ist ein schleichender Prozess“, sagt Axel Schroeder, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Urologen. Die Vorsteherdrüse umgibt die Harnröhre und stellt einen Teil der Samenflüssigkeit her. „Es gibt Männer, die Beschwerden an der Prostata lange Zeit verleugnen, weil sie mit zunehmendem Alter ja auch typisch sind“, ergänzt Prof. Stefan Müller, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU).
„Dazu gehören Beschwerden beim Wasserlassen wie ein abnehmender Harnstrahl, sie müssen häufiger zur Toilette, tagsüber und nachts, und das Wasserlassen dauert länger.“ All das seien Symptome einer sich vergrößernden Prostata im Alter, die in den allermeisten Fällen gutartig sei. Leider werde ein Prostatakarzinom gelegentlich erst dann erkannt, wenn Männer mit „Kreuzschmerzen“ in die Praxis kommen. „Dann haben sie vielleicht schon Metastasen in der Wirbelsäule.“
Laut dem Zentrum für Krebsregisterdaten am Robert-Koch-Institut ist seit den frühen 1980er Jahren ein Anstieg der Erkrankungsraten zu beobachten. Diese Zunahme könne größtenteils mit einer früheren und vermehrten Entdeckung vieler Tumoren durch den sogenannten PSA-Test erklärt werden. Dies führe zu deutlich höheren Erkrankungsraten im Altersbereich zwischen 50 und 69 Jahren. Gleichzeitig sei das mittlere Erkrankungsalter auf 70 Jahre gesunken (Jahr 2008). Vor dem 50. Lebensjahr tritt Prostatakrebs sehr selten auf.
Ab dem Alter von 45 Jahren übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine Früherkennungsuntersuchung. Dazu gehört das Abtasten der Prostata durch den Enddarm. „Wenn man ein Karzinom tastet, ist es meistens schon sehr spät, es ist dann groß, und die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass Metastasen in Knochen und Lymphknoten vorliegen“, sagt Müller. „Karzinome im gut behandelbaren Frühstadium findet man beim Tasten selten. Daher ist der PSA-Wert eine wichtige Ergänzung zur Tastuntersuchung.“
Das prostataspezifische Antigen (PSA) ist ein Eiweiß, das von der Prostata gebildet wird. Ist der PSA-Wert im Blut eines Mannes erhöht, kann das ein Hinweis auf eine gut- oder bösartige Veränderung der Vorsteherdrüse oder auf eine Entzündung des Organs sein. Die Kosten für den Bluttest übernehmen gesetzlichen Kassen nicht.
Als Normwert für PSA wurden vier Mikrogramm pro Milliliter in den medizinischen Leitlinien festgesetzt. „Doch was macht man mit einem Patient, dessen Wert leicht erhöht ist? Sofort biopsieren?“, fragt Müller. Die Antwort lautet: nein. „Hat man einen auffälligen PSA-Wert vorliegen, dann muss man Dinge wie Alter, Vorgeschichte des Patienten und die Größe der Prostata berücksichtigen“, erläutert er. Je älter der Patient und je größer die Prostata ist, desto höher werde der PSA-Wert vermutlich sein. „Das heißt, bei einem 40-Jährigen ist ein Wert von größer 2,5 vielleicht schon verdächtig, während bei einem 75-Jährigen ein Wert von 5,5 vielleicht kein Problem ist.“ Auch sei die Entwicklung des Wertes über die Jahre zu beachten.
Weisen Ärzte dann durch eine Biopsie ein Prostatakarzinom nach, gibt es mehrere Therapiemöglichkeiten: von der Überwachung, Hormonbehandlung, Chemo- und Strahlentherapie bis hin zur Entfernung der Prostata. „Je früher man es erkennt, desto mehr Möglichkeiten hat man“, sagt Schroeder. „Wichtig ist, dass man die Lebensqualität der Patienten im Fokus hat, nicht nur heilend, sondern auch schonend behandelt.“
Man gehe davon aus, dass 30 Prozent aller 70-Jährigen ein Prostatakarzinom haben, sagt Müller. Der Krebs wachse langsam, und nur wenige Prozent dieser Männer würden daran sterben. „Man muss überlegen, wen man wie therapiert, denn bei Operationen und Strahlentherapie gibt es ja Nebenwirkungen, beispielsweise Impotenz oder Inkontinenz“, sagt der DGU-Präsident.