Besser als ihr Ruf: Cuvées sind eine große Kunst
Mainz (dpa/tmn) - Wer das Wort „Verschnitt“ hört, rümpft schnell die Nase. Verschnittene Weine stehen zumindest bei vielen Deutschen im Verdacht, minderwertig zu sein. Spitzenwinzer sehen das anders: kaum einer, der nicht eine bis zwei Cuvées sein Eigen nennt.
Bei einem französischen Wein rümpft kaum jemand die Nase, wenn ihm eine Cuvée angeboten wird. Bei deutschem Wein dagegen winken manche Kunden sofort ab, wenn sie das Wort Verschnitt hören. Doch nichts anderes bedeutet der Begriff Cuvée. „Die Deutschen sind immer ganz besonders akribisch. Da soll alles sortenrein sein“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz dem. Das habe historische Gründe: Heimische Winzer haben sich lange durch sortenreine Weine von ihrer ausländischen Konkurrenz wie Bordeaux oder Chianti abgehoben.
„Eigentlich ist die Cuvée eine besondere Kunst“, erläutert Büscher. „Eins und eins ergibt dabei drei, es entsteht etwas Neues.“ Die jeweils beste Eigenschaft der miteinander verschnittenen Weine werde für ein harmonisches Ganzes herausgearbeitet, das gelinge nur einem guten Winzer. „Der Winzer braucht große Erfahrung und viel Fingerspitzengefühl, welche Mengen und Sorten er zusammenfügt.“ Immer mehr deutsche Top-Winzer hätten inzwischen ein bis zwei Cuvées im Programm, insbesondere bei den Rotweinen. Bei Weißweinen kämen Verschnitte oft als Sommerweine mit fantasievollen Namen auf den Markt.
Ein Verschnitt stehe in Deutschland jedoch häufig im Verdacht, gepanscht zu sein. Viele Kunden hätten noch immer Vorbehalte dagegen. Aber: „Streng genommen ist jeder Wein eine Cuvée“, sagt der Experte. Auch wenn zwei Fässer die gleichen Trauben als Ausgangsmaterial haben, sei der Geschmack des Weins nach der Vergärung des Mosts doch unterschiedlich. Vor dem Abfüllen würden diese zwei Fässer dann zusammengeführt - also miteinander verschnitten.
Bei sommerlichen Weißweinen finden zum Beispiel Bouquetweine mit Rebsorten zu einer Cuvée zusammen, die von Natur aus eher eine mildere Säure haben, erläutert Büscher. Beispiele seien Bacchus mit frisch-fruchtigem Muskateller oder Scheurebe mit Müller-Thurgau. Bei Rotweinen geschätzt seien Burgunder-Cuvées aus St. Laurent, Spät- oder Frühburgunder und Cabernet Sauvignon oder Merlot.
Vor 100 Jahren war es Büscher zufolge in Deutschland durchaus üblich, Cuvées schon im Weinberg anzulegen: Im sogenannten gemischten Satz pflanzten die Winzer zum Beispiel Gewürztraminer zwischen Rieslingreben und ernteten und kelterten die Trauben dann auch gemeinsam. „Das gibt etwas mehr Bouquet.“
Gang und gäbe ist das Verschneiden bei Markensekt. „Bei den Sekten, die ohne Jahrgang auf den Markt kommen, werden auf diese Weise Jahrgangsunterschiede ausgeglichen“, erläutert Büscher. „Der Sekt soll jedes Jahr den mehr oder weniger gleichen Geschmack haben.“ Doch auch beim edleren Winzersekt finden sich Verschnitte: Chardonnay und Weiß- oder Grauburgunder etwa werde gern als Pinot-Cuvée „versektet“.