Das Labor auf dem Chip - Medica zeigt medizinische Zukunft
Düsseldorf (dpa) - Vielleicht können Menschen irgendwann einmal ihre Krankheiten selbst diagnostizieren. Die Medizinfachmesse Medica zeigt Möglichkeiten, die heute noch unglaublich klingen.
Ob Schwangerschaft oder Blutzucker - viele Erstdiagnosen können Frauen und Männer zu Hause mit Hilfe von handlichen und leicht zu bedienenden Messgeräten stellen. Was wäre, wenn Menschen künftig sogar schwere Krankheiten wie bestimmte Krebsarten per Selbsttest diagnostizieren könnten? Es hört sich an wie ferne Zukunft, doch Wissenschaftler sind bereits auf dem Weg in diese Richtung.
Hans Bouwes von der Dortmunder Firma iX-factory zeigt einen drei mal dreieinhalb Zentimeter kleinen Chip. Darauf könnten künftig Flüssigkeiten wie Blut oder Speichel auf Krankheitserreger getestet werden. „Der Patient könnte sich dann den Weg zum Arzt sparen, das wäre die ideale Idee“, sagt Bouwes. Analysen und Tests würden schneller und billiger.
Das auf Mikrofluidik basierende sogenannte „lab-on-a-chip“-System, bei dem eine oder mehrere Laboraufgaben auf einem Chip vereint sind, wird auf der weltgrößten Medizinfachmesse Medica (14. bis 17. November) in Düsseldorf präsentiert. Der Plan: Auf dem Chip können Biomarker angebracht werden, die Hinweise auf Krankheiten geben. Wird Blutplasma durch die Kanäle geleitet, könnten sich die Biomarker an kranke Zellen haften. In wenigen Minuten könnte ein Ergebnis etwa durch ein optisches Signal zu erkennen sein. Ein Forschungsprojekt zur Leukämie-Erkennung gebe es bereits an der Hochschule Hamm-Lippstadt, sagt Bouwes.
„Das ist aber eher ein langfristiger Trend“, betont Bouwes. Acht bis zwölf Jahre könnte es wohl dauern, bis solche Kleinstlabors auf Chips in der Medizin auf den Markt kämen. Und der Technik-Experte sieht auch die Kehrseite des Fortschritts: „Wollen die Menschen wirklich zu Hause messen, ob sie eine schwere Krankheit haben?“
Mit solchen Chiplaboren, Mikropumpen oder Rohren, kaum dicker als ein Haar, steht die Medica-Begleitmesse Compamed im Zeichen der fortschreitenden Miniaturisierung. Die Hauptmesse Medica mit mehr als 4500 Ausstellern präsentiert von der Smartphone-Applikation bis zum komplexen OP-Saal die ganze Bandbreite medizintechnischer Hilfsmittel. „mHealth“, also mobile Gesundheit, ist der große Trend. „Apps“ oder Tablet-Computer werden immer wichtiger, um Ärzte und Patienten besser zu vernetzen.
Per Telemedizin und Smartphone soll künftig etwa die Dialyse nierengeschädigter Patienten zu Hause ermöglicht werden - durch tägliche Fernkontrolle des Arztes. Ein mehrmonatiger Feldtest in Berlin läuft bereits. Eine andere „App“ hilft bei der korrekten Einnahme der Antibabypille.
Ein Sensorsystem auf einer Zahnschiene überträgt nicht nur Daten zur Zeit und Stärke des Zähneknirschens auf einen Empfänger. Es gibt dem Betroffenen im Schlaf auch ein sanftes Vibrationssignal, damit er aufhört zu knirschen. Auf dem Markt ist die am Lehrstuhl für Medizinische Elektronik der Technischen Universität München entwickelte Sensorschiene derzeit allerdings nicht.
Ein neues Transportsystem für Herz und Lungen könnte die Anzahl der Organtransplantationen erhöhen. Die US-Firma TransMedics hat eine Box entwickelt, die Spenderherzen und -lungen außerhalb des menschlichen Körpers länger funktionsfähig erhalten soll. Bisher werden die Organe nach der Entnahme in Eis gelagert - das ist nicht länger als vier bis sechs Stunden möglich.
Die Box versorgt die Organe in einem körperähnlichem Umfeld mit Spenderblut, Sauerstoff und Nährstoffen. Man sieht, wie das Herz in der transparenten Kiste schlägt. Bis zu zwölf Stunden könne ein Herz so gelagert werden, eine Lunge sogar 24 Stunden, sagt Björn Härtel von TransMedics. Auf Testbasis ist das Transportsystem für Lungen bereits an der Medizinischen Hochschule Hannover im Einsatz.