Ein Leben für Forschung und Kunst - Carl Djerassi wird 90

San Francisco (dpa) - Er veränderte die Welt, vor allem die der Frauen: Vor gut 60 Jahren entwickelte Carl Djerassi mit Kollegen die Anti-Baby-Pille. Erfolgreich war der gebürtige Österreicher auch als Autor von Romanen und Theaterstücken.

Nun wird er 90.

Frauen haben sein Leben geprägt, er ebnete den Weg für die feministische Bewegung: Der Chemiker Carl Djerassi entwickelte Anfang der 50er Jahre mit Kollegen in Mexiko die Anti-Baby-Pille. „Niemand hatte damals geglaubt, dass Frauen das Mittel einmal so stark benutzen würden“, staunt er heute noch. Fünf Jahrzehnte nach diesem Meilenstein begann Djerassi, Romane und Theaterstücke zu schreiben. Seit dem Freitod seiner Tochter Pamela, einer Malerin, unterstützt er außerdem junge, finanzschwache Künstler. An diesem Dienstag (29. Oktober) wird der Wissenschaftler, Dramaturg und Kunstmäzen Djerassi 90 Jahre alt.

Als Sohn eines jüdischen Arztehepaars 1923 in Wien geboren, floh der junge Carl 1938 vor den Nazis nach Bulgarien, die Heimat seines Vaters. Die Mutter nahm ihn dann mit in die USA. Doch die 20 Dollar, die sie bei sich trug, reichten nicht lange. Djerassi schrieb an Eleanor Roosevelt, damals Amerikas First Lady, und bat um Vermittlung eines Stipendiums. Er hatte Glück und konnte studieren - allerdings nur Chemie. Eine Ausbildung zum Arzt war für ihn unerschwinglich.

Mit der alten Heimat Österreich hat sich Djerassi versöhnt: Er nahm den angebotenen Pass an. Im Laufe seiner höchst erfolgreichen Forscherkarriere veröffentlichte Djerassi etwa 1200 wissenschaftliche Arbeiten, etwa zur Synthese des Hormons Cortison. 1951 gelang ihm und zwei Kollegen die Herstellung des Schwangerschaftshormons Gestagen. Daraus ging einige Jahre später die erste Anti-Baby-Pille hervor.

Auf die Frage, ob die Pille Ursache des Geburtenrückgangs sei, sagt Djerassi: „Das ist Unsinn. Paare beschränken sich aus gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Gründen auf weniger Kinder.“ Ein Beispiel sei Japan. „Es hat noch größere Probleme mit seiner schrumpfenden Bevölkerungszahl als Deutschland und Italien. Dabei ist die Pille dort erst seit 1999 zu haben.“

Seine dritte Ehefrau, die Stanford-Professorin und Biografin Diane Middlebrook, inspirierte Djerassi zum Schreiben. Zunächst entstanden Gedichte und Kurzgeschichten. Doch bald schon fühlte sich der Forscher berufen, seine Leser in die Welt der Wissenschaft einzuführen. Seine Romane - er nennt sie „Science in Fiction“ - sind Bestseller, seine Dramen werden auf Bühnen in aller Welt aufgeführt, darunter auch in etlichen großen europäischen Theatern.

Diane Middlebrook erlag 2007 einer Krebserkrankung, die sie, immer mit Djerassi an ihrer Seite, auch in deutschen und britischen Kliniken zu bekämpfen versucht hatte. Lange vor ihr verlor Djerassi seine Tochter Pamela. Ihr Selbstmord veranlasste Djerassi, seine Farm in Kalifornien zur Künstlerkolonie umzubauen. Junge Maler, Bildhauer, Schriftsteller und Fotografen sind eingeladen, ein Jahr kostenlos dort zu leben und zu arbeiten.