Einmal Robin Hood sein - Bogenschießen ist mehr als Sport
Wiesbaden (dpa/tmn) - Die einen erinnert es an Indianerfilme, die anderen kennen es von Olympischen Spielen: Bogenschießen. Pfeil und Bogen werden aber auch zur Behandlung physischer und psychischer Beschwerden eingesetzt.
Die Körperwahrnehmung spielt eine große Rolle.
Wenn Menschen über das Bogenschießen sprechen, dann fällt meistens der Name Robin Hood. Denn auch der englische Kämpfer für soziale Gerechtigkeit war mit Pfeil und Bogen im Wald von Nottingham unterwegs. Die Gerätschaften wurden früher vor allem als Waffe in der Jagd und bei kriegerischen Auseinandersetzungen verwendet. Heutzutage ist Bogenschießen ein olympischer Sport, eine beliebte Freizeitbeschäftigung und immer häufiger auch ein Mittel in der Gesundheitsförderung - gegen orthopädische Beschwerden, aber auch bei seelischen Problemen.
Genaue Zahlen, wie viele Menschen Bogenschießen betreiben, gibt es nicht. Klaus Lindau schätzt, dass es etwa 50 000 sind. Der Bogenreferent des Deutschen Schützenbunds (DSB) in Wiesbaden führt die gestiegene Beliebtheit nicht nur auf den Wunsch nach Natur und Abenteuer zurück. Der Sport sei auch so attraktiv, weil er eine hohe Körperbeherrschung verlange. „Bogenschießen besteht aus einer Automatisierung der Bewegung und ist dabei sehr dynamisch“, sagt er. „Daher muss man sich sehr mit dem eigenen Körper beschäftigen.“
Wenn der Bogen gespannt wird, der Pfeil die Sehne mit großer Wucht verlässt und sich einen Augenblick später in die Zielscheibe bohrt, dann empfinden viele Schützen eine Art Glücksgefühl. „Man ist selbst dafür verantwortlich, ob man trifft oder nicht. Dieses hohe Maß an Eigenverantwortung macht Spaß“, erklärt Lindau.
Weil beim Bogenschießen die Muskulatur gestärkt und der aufrechte Stand permanent eingeübt wird, profitieren Rücken und Wirbelsäule. Daher sei es auch ein anerkannter Rehasport, erläutert Lindau. „Zudem passiert dabei etwas, die Kräftigung hat also einen Sinn. Das ist interessanter, als im Fitnessstudio Eisen zu heben.“
Für manche Menschen ist es sogar der erste Schritt, sich überhaupt einmal sportlich zu betätigen, erzählt Martin Scholz. Der Coach und Heilpraktiker für Psychotherapie arbeitet in Dortmund unter anderem mit Kindern und Jugendlichen, die unter Adipositas, also Fettleibigkeit leiden. Sie wiegen so viel, dass Joggen zum Abnehmen wenig sinnvoll ist, Bogenschießen können sie jedoch.
„Das ist für sie der erste Kontakt mit Bewegung“, erklärt Scholz. „Sie haben relativ schnell Erfolg und merken: Du kannst etwas! Und irgendwann kommen sie an den Punkt, an dem sie eventuell auch laufen oder Rad fahren können.“ Die Erfahrung mit Pfeil und Bogen kann also dazu beitragen, das Selbstwertgefühl zu steigern.
Zudem verbessert Bogenschießen die Wahrnehmungsfähigkeit und Konzentration. Es fördert die Entspannung, schützt Menschen damit vor Stress, wie Studien gezeigt haben. Daher wird es oft auch in psychosomatischen Kliniken eingesetzt, zum Beispiel bei Burnout-Patienten oder Menschen mit Essstörungen.
Scholz hat auch gute Erfahrungen bei Heranwachsenden gemacht, die unter einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden. „Kinder, die rumzappeln, verändern sich, wenn sie einen Bogen in die Hand nehmen“, sagt der 47-Jährige. Allerdings betont er, dass Bogenschießen nur eine ergänzende Therapieform sein kann - etwa im Rahmen einer Gesprächstherapie oder einer psychosomatischen Behandlung. Auch sollte es bei bestimmten Krankheitsbildern außen vor bleiben. „Ich würde einem Patienten mit einem Borderline-Syndrom niemals einen Bogen in die Hand drücken“, macht Scholz klar.
Der Bogen findet seinen Einsatz auch bei Trainings in Unternehmen. Hier kann der Sport das Team-Building fördern, erzählt der Coach. Dabei spielten Fragen nach den Zielen des Teams und seiner Mitglieder eine Rolle: Wo stehe ich? Wo will ich hin? „Diese Zielorientierung kann man mit den Pfeilen gut üben“, sagt Scholz.
Manfred Baum ist es jedoch wichtig hervorzuheben, dass Bogenschießen ein durchaus anspruchsvoller Sport ist. Er muss es wissen: Baum ist Vorsitzender des schwäbischen Vereins Schützengilde Welzheim, der Außenstelle des Olympiastützpunkts Stuttgart ist und regelmäßig Athleten zu den Sommerspielen schickt. „Viele meinen, Bogenschießen sei ganz einfach. Aber für eine gute Ausführung ist sehr viel Übung erforderlich“, betont er.
Während die Spezialisten technisch ausgefeilte Bögen nutzen, wird im Freizeitbereich häufig mit einfachen Langbögen geschossen. Das gilt auch für das meditative Zen-Bogenschießen und eine Reihe weiterer Formen. Dazu gehört das der Jagd nachempfundene 3-D-Schießen im Grünen. Dabei zielen die Teilnehmer auf Schaumstofftiere. „Bei solchen und ähnlichen Dingen stehen der Spaß und die Natur im Vordergrund“, sagt Baum. „Das ist sehr im Trend.“ Deshalb hat auch sein Verein oft Anfragen von Unternehmen und arbeitet mit einer Schule zusammen. Das Bogenschießen kenne man eben von klein auf, sagt er und nennt einen Namen: Robin Hood.