Fisch per Paket: Online-Handel mit Lebensmitteln ist Nische

Stuttgart/Bremerhaven (dpa) - Frisches Hackfleisch, Milch oder Tomaten per Päckchen? Immer mehr Anbieter verkaufen Lebensmittel online. Doch Experten sind skeptisch: Das große Geschäft lasse sich mit dem Versandhandel nicht machen.

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Das Angebot klingt verlockend: Fangfrischer Fisch direkt nach Hause - 700 Kilometer von der Nordseeküste entfernt. Der Fisch-Großhändler Deutsche See liefert seit Kurzem mit Hilfe eines Online-Shops bis nach Stuttgart. Eine Bedrohung für den Einzelhandel vor Ort?

Amazon hatte die Händler schon 2010 mit der Ankündigung aufgescheucht, auch Lebensmittel anzubieten. Passiert ist seitdem wenig. Auf etwa ein Prozent des gesamten Umsatzes schätzt Marco Atzberger vom EHI Retail Institute das Online-Geschäft mit Lebensmitteln in Deutschland. „Was sich etabliert hat, ist der Handel mit Spezialitäten“, sagt er. Dazu gehört der Fisch von Deutsche See, aber auch Wein, Tee oder Nudeln und andere unverderbliche Waren. Insbesondere das Geschäft mit gekühlter Ware sei dagegen „extrem kompliziert“. Die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden.

Das ist inzwischen zwar technisch möglich: DHL hat seit kurzem neue Boxen im Einsatz, die ihre Fracht bis zu 48 Stunden bei drei bis sechs Grad kühlen. Doch in einer durchschnittlichen Einkaufstüte herrschen unterschiedliche Empfindlichkeiten. Fleisch und kälteempfindliche Bananen wollen im Normalfall nicht mit Tiefkühlkost verpackt werden.

„Die unterschiedlichen Kühlstufen einzelner Lebensmittel machen die Lieferung schwierig und teuer“, erklärt Joachim Pinhammer von der Beratungsfirma Planet Retail. Das nächste Problem ist die Auslieferung. „Lebensmittel können Sie aus Gründen der Hygiene und Sicherheit nicht wie ein normales Postpaket beim Nachbarn abgeben“, sagt Pinhammer. Deutsche See liefert den Fisch deshalb selbst aus - in einem festgelegten Zeitfenster. Eine halbe Stunde vor Zustellung ruft der Fahrer zur Sicherheit noch einmal an.

„In Deutschland sind die heute online angebotenen Lebensmittel in der Regel keine frischen Produkte“, sagt Pinhammer. Lidl bestätigt das. Der Discounter bietet in seinem Online-Shop nur Waren wie Wein, Kaffee, Tee sowie Essig und Öl. Auch im Online-Shop von Edeka, der von der Regionalgesellschaft Edeka Südwest betrieben wird, werden nur unkomplizierte Lebensmittel angeboten.

Weiter ist die Handelskette Rewe. Dort wird das komplette Supermarktsortiment mit Obst und Gemüse, Molkereiprodukten, Tiefkühlkost, Fleisch und Wurst angeboten. „Ist der Einkauf für die Lieferung zusammengestellt, gibt der Kunde seine Lieferadresse an und wählt die gewünschte Lieferzeit aus“, erklärt ein Sprecher. Den Service bietet Rewe derzeit in 45 Städten an. Darüber hinaus gibt es bundesweit 14 Abholmärkte, wo der Einkauf zu einer bestimmten Zeit bereit steht. „Die Akzeptanz bei den deutschen Kunden wächst und ist gut“, sagt ein Rewe-Sprecher.

Neue Impulse kommen von Vorreitern wie Amazon oder von Startups. „Shop Wings“ heißt ein von Rocket Internet unterstützter Verkaufsservice, der online persönliche Einkäufer vermittelt. Die vor allem für Tee bekannte Bünting-Gruppe hat 2012 den Online-Supermarkt mytime.de gegründet, mit vollem Sortiment von Frischfleisch bis Tiefkühlkost. „Seit Bestehen von mytime.de konnten wir unsere Kunden und Artikelanzahl verdoppeln“, sagt Geschäftsführer Joosten Brüggemann. Anhaltspunkte, wie groß das Geschäft ist, gibt mytime.de aber nicht.

Handels-Experte Pinhammer bleibt skeptisch: „In Deutschland ist die Infrastruktur an Nahversorgern im Lebensmitteleinzelhandel extrem gut, gleichzeitig die Margen im Lebensmittelhandel extrem niedrig“, sagt er. Dadurch hätten die bestehenden Anbieter unter Umständen gar nicht genug Kapital, um sich auszuprobieren.

Auch EHI-Experte Atzberger spricht noch von reinen Testläufen. Insbesondere das eingeschränkte Online-Angebot vieler Einzelhändler reiche nicht, um die Kunden umzuerziehen, sagt Atzberger. „Welchen Nutzen habe ich, wenn ich nur die Hälfte meines Einkaufs erledigen kann?“ Seine Prognose bleibt deshalb zurückhaltend. „In den nächsten drei Jahren werden keine substanziellen Umsätze mit Lebensmitteln erzielt werden.“