Gericht stoppt Etikettenschwindel bei Nutella

Frankfurt/Main (dpa) - Nutella-Etiketten täuschen viele Fans der süßen Schoko-Creme. Irreführende Angaben zu Vitaminen und Nährwert hat das Oberlandesgericht Frankfurt darauf festgestellt und dem Hersteller Ferrero verboten, die Aufkleber in der bisherigen Form weiterzuverwenden.

Die noch nicht rechtskräftige Entscheidung in zweiter Instanz enthält ein Zwangsgeld von 250 000 Euro pro Einzelfall. Die Richter gaben mit ihrem Urteil einer Klage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen statt (Az.: 6 U 40/11).

Die Verbraucherschützer hatten moniert, dass auf dem Etikett für die Prozentangaben des täglichen Bedarfs unterschiedliche Grundmengen herangezogen wurden. So wurden die Tagesanteile für Fett oder Kohlenhydrate auf die Portion von 15 Gramm bezogen, während die in einer anderen Farbe gedruckten Vitamin- und Mineralstoffanteile aus 100 Gramm errechnet wurden.

Um die abgedruckten Vitaminquoten des täglichen Bedarfs zwischen 30 und 78 (Vitamin E) Prozent zu erreichen, hätte der Konsument also ein Viertelglas der süßen Creme und nicht nur 15 Gramm essen müssen. Den hohen Prozentzahlen für Vitamine und Mineralstoffe standen niedrige Angaben zu Kohlenhydraten (3 Prozent) und Fett (7 Prozent) gegenüber. Der falsche Schluss, Nutella enthalte sehr wenig Fett und Kohlenhydrate, dafür aber viele gesunde Vitamine, lag nahe. „Der Verbraucher schaut in erster Linie auf die Prozentzahlen“, sagt Rechtsexpertin Susanne Einsiedler vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv).

Diese Auffassung teilte das Gericht: In der typischen Kaufsituation etwa vor dem Verkaufsregal eines Supermarktes fehle dem Kunden die Zeit, die Unterschiede zwischen den Grundmengen zu erfassen, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Dies sei eine relevante Irreführung, heißt es im Urteil. Ein Lebensmittel, das vermeintlich nur wenig Nährstoffe wie Zucker und Fett, dafür aber viel Vitamine und Mineralstoffe enthält, werde als besonders wertvoll angesehen.

Ferrero Deutschland kündigte in Frankfurt an, die Revision per Beschwerde beim Bundesgerichtshof erzwingen zu wollen. Man sei weiterhin davon überzeugt, dass die Etikettgestaltung transparent und verständlich sei sowie den gesetzlichen Vorgaben eindeutig entspreche. Die Etiketten werde man dennoch freiwillig ab Ende des Jahres ändern und darauf auch die Nährwertangaben pro Portion nennen.

Die missverständlichen Zahlen auf dem Nutella-Etikett sind nach Meinung von Verbraucherschützern nur eine Methode, mit der die Hersteller versuchen, die Kunden hinters Licht zu führen. Mal wird mit Bildern anderes versprochen, als drin ist, häufig sind die unvorteilhaften Inhaltsangaben unleserlich klein gedruckt. Vor allem vollmundige Werbeaussagen lassen sich bei genauerem Hinsehen nicht halten, haben die Stiftung Warentest oder die Organisation „Foodwatch“ in vielen Fällen herausgefunden: Vanilleeis mit verfälschter Vanille, Rahmspinat ohne Rahm und Zuchtlachs statt Wildlachs sind nur einige Beispiele.

Große Hersteller wie Nestlé, Unilever oder Dr. Oetker stehen regelmäßig wegen irreführender Werbung in der Kritik. Auch der Hersteller Ferrero, der für Nutella mit den deutschen Nationalkickern wirbt, wurde schon häufiger angegriffen. Die „Extra-Portion Milch mit viel gutem Kalzium“ ist laut „Foodwatch“ beim Kinderriegel so klein, dass ein Kind 13 Stück hätte essen müssen, um auf seinen Tagesbedarf Kalzium zu kommen. „Das sind gleich 48 Würfelzucker, ein halbes Paket Butter plus Aromen und Zusatzstoffe.“

Die Rechtslage scheint eindeutig: „Es ist verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen“, heißt es im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. In die Grauzonen will die Verbraucherzentrale mit einer neuen, vom Verbraucherministerium finanziell unterstützten Internetseite www.lebensmittelklarheit.de hineinleuchten. Hier werden die Konsumenten explizit zur Mitarbeit aufgerufen.

Das Internet als moderner Pranger zeigt im Einzelfall auch bereits Wirkung: So hat zum Beispiel Gutfried seine „Puten-Cervelatwurst“, die fast zur Hälfte aus Schweinefleisch bestand, geändert und die Molkerei Bauer ihren überzuckerten Kinderjoghurt „Biene Maja“ vom Markt genommen, den sie zuvor als „ausgewogenes Milchgetränk für Kinder“ beworben hatte.