Igel-Leistung: Wenn die Krebsvorsorge schadet
Die Krankenkassen zweifeln am Nutzen der meisten ärztlichen Extra-Angebote für die Patienten.
Berlin. Die 51-Jährige wusste nicht, was sie machen sollte. Ihr Arzt hatte ihr eine Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke angeboten. Zahlen müsste sie selbst, aber Krebs könnte so auch früh erkannt werden.
Sie wandte sich an die Unabhängige Patientenberatung — und die riet ab. Millionenfach willigen Patienten aber in Selbstzahler-Leistungen ein. Nach Darstellung der Krankenkassen ist die Hoffnung trügerisch, dass die Untersuchungen und Behandlungen eine Hilfe sind.
Die Patientenberatung antwortete der 51-Jährigen: „Ein sicherer Nachweis, dass der Eierstock-Ultraschall bei der Krebsfrüherkennung nützlich ist, fehlt bislang.“ Oft würden Auffälligkeiten entdeckt — ob es Krebs ist, lasse sich verlässlich dann aber nur durch eine operative Entfernung der Eierstöcke herausfinden.
Nur bei einer von 20 operierten Frauen stoßen die Ärzte tatsächlich auf Krebs. Frauen ohne jede Beschwerde können also viel Stress oder sogar eine unnötige OP vermeiden, wenn sie auf eine Untersuchung verzichten.
Ob Vorsorge gegen Grünen Star beim Augenarzt, Zahnreinigung beim Zahnarzt, bestimmte Bluttests beim Hausarzt oder auch Ultraschalluntersuchungen zur Brustkrebsvorbeugung — am Nutzen der häufigsten Angebote gibt es laut Medizinischem Dienst der Krankenkassen (MDS) durchweg Zweifel.
26 der sogenannten individuellen Gesundheitsleistungen (Igel) bewertete der MDS bisher für sein Internetangebot Igel-Monitor. Zwölf Mal lautete das Ergebnis: Nutzen nicht erwiesen, Schäden möglich. In elf Fällen gebe es zu wenig Studien, um klare Aussagen zu treffen — oder Nutzen und Schäden halten sich die Waage. Nur drei Mal gibt es ein tendenziell positives Fazit: bei der Akupunktur gegen Migräne, der Laserbehandlung von Krampfadern und der Lichttherapie bei saisonaler Depression.
Für viele Ärzte sind die Igel-Leistungen eine willkommene Möglichkeit, den Praxisumsatz jenseits der strengen Honorarbudgets aufzubessern. Laut Wissenschaftlichem Institut der AOK (Wido) wuchs der Markt in den vergangenen Jahren stark, die Ärzte kämen so auf mittlerweile rund 1,3 Milliarden Euro im Jahr.
Niemand weiß genau, wie oft der Mediziner das Angebot mit einem lapidaren Satz garniert wie: „Das sollte Ihnen Ihre Gesundheit wert sein.“ Oft lassen die Mediziner laut den Krankenkassen aber durchblicken, dass die Patienten besser das Selbstzahler-Angebot annehmen sollen, wenn sie weitere Behandlungen auf Kassenkosten wollen.